Bundesregierung: Vorerst keine Websperren

Nach dem Justizministerium hat inzwischen auch das Innenressort die Forderung aus der Spitze der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nach der sofortigen Einführung von Blockaden für Kinderporno-Seiten zurückgewiesen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 51 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Nach dem Bundesjustizministerium hat inzwischen auch das Innenressort die Forderung aus der Spitze der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nach der sofortigen Einführung von Blockaden für Kinderporno-Webseiten zurückgewiesen. Von einem zeitlich befristeten "Nichtanwendungs-Erlass" für Teile des Zugangserschwerungsgesetzes könne keine Rede sein, betonte ein Sprecher des Innenministeriums gegenüber heise online. Das Gesetz selbst schreibe zunächst den Grundsatz "Löschen statt Sperren" vor. Die Aufnahme in eine zentrale Filterliste und die damit verknüpfte Sperrung sei nur zulässig, wenn andere Maßnahmen, durch die ein Angebot gelöscht werden soll, nicht Erfolg versprechend seien.

Belastbare Aussagen zu den Erfolgen der laufenden Löschanstrengungen ließen sich erst treffen, wenn die Bundesregierung den Evaluierungsbericht vorgelegt habe, erklärte der Sprecher weiter. Die Frage, wann das im Koalitionsvertrag vereinbarte Evaluierungsjahr abläuft, werde derzeit noch mit dem Justizressort besprochen.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière selbst stellte inzwischen auch klar, dass er nicht ohne Absprache mit dem Koalitionspartner Sperren anordnen werde. Er nehme den Ruf von Unionsvize Günter Krings nach Web-Blockaden als "Hinweis, dass nach einem Jahr Praxis die Aussetzung der Netzsperren neu diskutiert werden muss", sagte der CDU-Politiker Spiegel Online. Der Streit um Löschen oder Sperren werde generell "überbewertet". Gebraucht würden beide Optionen im Kampf gegen Kinderpornographie im Netz, sagte de Maizière erneut. Keine der Maßnahmen könne das "schreckliche Problem" vollständig lösen, es gehe bei beiden um dessen "Eindämmung".

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Jarzombek, Mitglied der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft", sprach gegenüber heise online von einer Kluft zwischen Rechts- und Netzpolitikern in den eigenen Reihen. Die Netzpolitiker meinten, dass es sich bei Blockadeversuchen um eine "Placebo-Politik" handle. Sperren auf der Ebene des Domain Name Systems (DNS) seien einfach zu umgehen. Jarzombek kritisierte die bisherigen Bemühungen des Bundeskriminalamts (BKA) zum Löschen kinderpornographischer Inhalte im Web: Es könne nicht funktionieren, wenn die Polizeibehörde dafür ein paar Faxe schicke.

Der Christdemokrat plädiert dafür, ein elektronisches Verfahren zu verabreden, und zwar mit einer eigenen Prozesskette zur sekundenschnellen Benachrichtigung der betroffenen Provider und zur Reaktionsmessung. Über das Netzwerk von Online-Beschwerdestellen INHOPE gebe es schon solche Vereinbarungen, wobei sich gerade Ende vergangenen Jahres noch einiges getan habe. Ländern mit einem solchen Verfahren dürften auch von Brüssel keine Sperrverpflichtungen vorgeschrieben werden.

"Wir sind schon große Schritte weitergekommen", konstatierte Jarzombek auch unter Verweis auf die aktuelle Erfolgsstatistik des Providerverbands eco. Dies werde von Juristen in der Union noch nicht ausreichend gewürdigt.

"Die CDU tut gut daran, die Erfahrung der letzten zwei Jahre zur Kenntnis zu nehmen", sagte Michael Kretschmer, ebenfalls stellvertretender Chef der Unionsfraktion. Wer sich ausreichend mit dem Thema beschäftige, komme zu der Erkenntnis, dass Sperren nichts brächten, sagte Kretschmer heute.de. Bei Krings Position sei "viel Unkenntnis über die technischen Hintergründe im Spiel". Kinderpornographische Seiten könne man innerhalb von Stunden löschen. Nur dadurch verschwinde "das Zeug" wirklich.

Die rheinland-pfälzische CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner sagte während eines Chats mit Jugendlichen laut einem Medienbericht: "Sperren ist schwierig, Löschen wichtig." Es seien "viele Augen" nötig, "die aufmerksam den Mist melden". Die SPD-Generalsekretärin in Rheinland-Pfalz, Heike Raab, plädierte dagegen für Sperren, "wo es um den Jugendschutz geht". Die Sozialdemokraten im Bund sind indes gegen Blockaden und verlangen gemeinsam mit anderen Oppositionsparteien die Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes. (anw)