Deutschland will zum Mond ... und weiter

In Dresden tauschten sich Experten zwei Tage lang über den künftigen Beitrag Deutschlands zur Erforschung des Weltalls aus. Die deutsche Rakete sei startbereit - sie müsse nur noch betankt werden und brauche ein lohnendes Ziel, lautete das Fazit.

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Die deutsche Rakete ist startbereit. Sie muss nur noch betankt werden und braucht ein lohnendes Ziel. Dies ist das Fazit einer zweitägigen Konferenz des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) zum Thema "Exploration unseres Sonnensystems", die heute in Dresden zu Ende ging. Zu Beginn hatte Walter Döllinger, Programmdirektor Raumfahrt beim DLR, noch das Bild einer älteren Transporttechnologie bemüht. "Der Aurora-Zug ist abgefahren", sagte er im Hinblick auf das Aurora-Programm der Europäischen Weltraumagentur ESA. "Und wer sitzt in der Lokomotive? Italien." Damit war auch schon die Motivation der Konferenz knapp skizziert: Nachdem die deutsche Politik es mit ihrer zögerlichen Haltung versäumt hat, sich rechtzeitig und substanziell an dem ESA-Programm zur Erkundung des Sonnensystems zu beteiligen, gilt es jetzt, den Rückstand mit einer eigenen Explorationsinitiative wieder aufzuholen. Ein US-Reporter, so Döllinger, habe die Deutschen deswegen unumwunden als "verrückt" bezeichnet. Hinsichtlich der Irrungen und Wirrungen der deutschen Raumfahrtpolitik fällt es durchaus schwer zu widersprechen.

Die Vertreter aus Wissenschaft und Industrie, die in einem dicht gepackten Vortragsprogramm Ideen und Möglichkeiten für Weltraumprojekte präsentierten, wirkten dagegen alles andere als verrückt. Missionen zu Mond, Mars, erdnahen Asteroiden, Jupitermonden und sogar bis zum Rand des Sonnensystems, der sogenannten Heliopause, wurden skizziert. Vieles davon wäre nur im europäischen Rahmen machbar. Manche Mission, wie die von Manfredo Reimert (ZARM, Universität Bremen) vorgestellte Sonde zur Erforschung des subglazialen Ozeans auf dem Jupitermond Europa, erfordert sogar noch breitere internationale Beteiligung – was durchaus als positiver Aspekt gewertet werden kann. Thomas Jurk, sächsischer Staatsminister für Wirtschaft und Arbeit, hatte zum Auftakt der Konferenz ausdrücklich betont, dass eine erfolgreiche Verständigung über Ziele der Raumfahrt auf globaler Ebene das Vertrauen in die Kompetenz der Politik auch bei der Lösung regionaler Probleme stärken könnte.

Gleichwohl war auch eine Reserviertheit gegenüber den USA zu spüren, wenn sie auch selten deutlich artikuliert wurde. Aber es war klar, dass die neue US-Weltraumpolitik, die den erdnahen Weltraum teilweise der Zuständigkeit des Militärs übergibt, während die NASA sich um die ferneren Regionen kümmern soll, eine Reaktion Europas erfordert. Immer wieder war davon die Rede, "auf gleicher Augenhöhe" zu agieren und sich auf Dauer nicht mit der Rolle des Juniorpartners bei internationalen Missionen zufrieden geben zu wollen. Zunächst aber muss Deutschland innerhalb Europas verloren gegangenes Terrain zurück gewinnen. Dafür gilt es, sich auf eine national realisierbare Mission zu verständigen, die als "Leuchtturm", wie Döllinger es ausdrückte, wirken kann. Döllinger hob neben wissenschaftlichen, technischen und bildungspolitischen Aspekten auch die kulturelle Dimension solcher Aktivitäten hervor. Leider spielten sie im weiteren Verlauf der Konferenz keine Rolle mehr.

Aber diese Konferenz war ja auch ein erster Schritt, der von allen Beteiligten als großer Erfolg gewertet wurde. Als wahrscheinlichstes Ziel einer deutschen Explorationsmission stand am Ende der Mond da, der zum einen mit der vorhandenen Technologie erreichbar ist und zum anderen viel Gelegenheit für sinnvolle wissenschaftliche Forschungen bietet. "Vergesst den Mond nicht!" mahnte etwa Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin und demonstrierte mit eindrücklichen Beispielen, wie wenig wir trotz Apollo immer noch über unseren kosmischen Nachbarn wissen. Missionen zum Mond-Südpol oder über die Oberfläche verteilte Seismometer sind nur zwei Beispiele, wie dieses Wissensdefizit abgebaut werden könnte.

Peter Hofmann von der Kayser-Threde GmbH berichtete, er habe in den vergangenen Monaten viele Gespräche über Mondmissionen geführt. Für deren Realisierung, so Hofmann, sei ein "gestuftes Gesamtprogramm mit finanzierbaren Einzelschritten" erforderlich. Er favorisiert eine Kombination aus Mond-Orbiter und Rover auf der Oberfläche. Dabei könnten Synergien zur ESA-Mission ExoMars genutzt werden, die nach dem derzeitigen Zeitplan im Jahr 2013 starten soll. ExoMars ist die nächste große Mission im Rahmen des Aurora-Programms, das von der damaligen rot-grünen Bundesregierung vor allem deswegen abgelehnt worden war, weil es als langfristiges Ziel eine bemannte Mission zum Mars um das Jahr 2030 vorsah. Dass es überwiegend aus unbemannten Vorläufermissionen besteht, wurde dabei offenbar übersehen.

Von diesem Gegensatz zwischen bemannter und unbemannter Raumfahrt, der in erster Linie ein Budget-Problem ist, war bei der Konferenz so gut wie keine Rede. "Ich halte die Unterscheidung von bemannter und unbemannter Raumfahrt für völlig überzogen", verdeutlichte Professor Neukum. Niemand widersprach. Vielleicht ist das die positivste Botschaft dieser Konferenz. (Hans-Arthur Marsiske) / (pmz)