Politiker und Forscher gegen pauschale Computerspiele-Kritik

Auf Einladung von Electronic Arts sprachen Vertreter von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in Berlin über "Verbot oder Selbstregulierung" in Sachen Computerspiele.

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Von
  • Nico Nowarra
Nach dem Amoklauf von Emsdetten vielerorts auf der Suche nach einfachen Antworten sind besonders Computerspiele zum zentralen Gegenstand der Kritik geworden. Am gestrigen Mittwochabend haben sich dagegen Vertreter von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in Berlin getroffen und vorgeführt, wie man sich auch angesichts weithin aufgepeitschter Stimmungen um eine nüchterne und differenzierte Sicht des Mediums Computerspiel bemühen kann. Eingeladen hatte der deutsche Zweig des Spieleherstellers Electronic Arts, der sich seit geraumer Zeit um die Zusammenarbeit mit Medienpädagogik und Politik bemüht – und der natürlich ein verstärktes Eigeninteresse daran hat, Computerspiele nicht weiteren staatlichen Regulierungen zu unterwerfen.
Unter der Leitfrage "Verbot oder Selbstregulierung?" diskutierte man in den Räumen der hessischen Landesvertretung miteinander über verschiedene Aspekte von Gewalt in Spielen. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob der Staat stärker als bisher regulierend ins Spielebusiness eingreifen muss, wie es aktuell vor allem Politiker aus den Bundesländern gefordert haben.
Mit dabei waren unter anderem Klaus Uwe Benneter (SPD), MdB und stellvertretender Vorsitzender der Medienkommission des Parteivorstandes, sowie Thomas Jarzombek (CDU), Landtagsabgeordneter in NRW und Schirmherr des Arbeitskreises Games NRW. Beinahe einvernehmlich bekundeten die beiden Politiker ihre Sympathie für Computerspiele, deren Hersteller und die Spieler. Benneter lobte darüber hinaus auch die Arbeit der Unterhaltungsssoftware-Selbstkontrolle (USK), deren Alterseinstufungen zuletzt von mehreren Seiten stark kritisiert worden waren.
Eine stärkere Regulierung des Spielemarktes hält der SPD-Politiker für unnötig. Die Kommentare, die einige Parteigenossen in den letzten Tagen abgegeben hatten, bezeichnete er als "Schnellschüsse" – wobei er insbesondere auf den Vorstoß von Dieter Wiefelspütz einging.
Noch deutlicher wurde Jarzombek bei seiner Kritik. Er wies darauf hin, dass es sich bei den Politikern, die im Moment am meisten über das Thema "Gewalt in Spielen" reden, samt und sonders um Innenpolitiker handle – eigentlich sei das Thema jedoch im Zuständigkeitsbereich des Familienministeriums angesiedelt. Ganz abseits der Gewaltdiskussion will der CDU-Mann vor allem die enormen Chancen des stetig wachsenden Spielemarktes nicht aus dem Blick verlieren. Entgegen dem gegenwärtig eher spürbaren Trend zum Spiele-Bashing spricht er sich vielmehr dafür aus, Maßnahmen zur Förderung von Computerspieleentwicklern in Deutschland zu ergreifen.
Eröffnet wurde der Abend durch Prof. Dr. Winfried Kaminski von der Fachhochschule Köln, der in seinem Vortrag besonderen Wert auf die Wechselwirkung zwischen Spielen und ihren Konsumenten legte. Seiner Ansicht nach darf die Kernfrage in der Spielediskussion nicht sein "Was wird gespielt?", sondern "Wie wird gespielt?".
Einigkeit herrschte bei den Beteiligten in der Einschätzung, dass vor allem Eltern und Lehrern aufgefordert seien, ihre Medienkompetenz im Bereich Computerspiele deutlich zu verbessern: Schlussendlich sind es diejenigen, die in der erzieherischen Praxis stehen, die als erste die Chance haben, ein aufkommendes Problem bei einem Jugendlichen zu erkennen und ihm zu helfen, bevor er sich in eine seelische Sackgasse hineinmanövriert.
Weitere Gäste bei der Diskussion waren Thomas Zeitner, Geschäftsführer von Electronic Arts Deutschland, Dr. Jörg Müller-Lietzkow, Kommunikationswissenschaftler, sowie Tanja Witting, Sozialpädagogin und Mitarbeiterin bei "Spielraum", einer Initiative von Electronic Arts und Nintendo zur Förderung der Medienkompetenz bei Eltern und Lehrern.
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