Internet Explorer 9 erschienen

Die Ausgabe 9 von Microsofts Webbrowser ist schneller, unterstützt eine Vielzahl neuer Webstandards und schützt die Privatsphäre seiner Nutzer besser.

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Von
  • Herbert Braun

Fast auf den Tag genau ein Jahr nach Veröffentlichung der ersten Vorschau-Version hat Microsoft die fertige Version 9 seines Webbrowsers Internet Explorer zum Herunterladen freigegeben. Internet Explorer 9 steht auf 32- und 64-Bit-Systemen unter Windows 7, Vista und Server 2008 in 40 Sprachen bereit (Download der Releasse-Version über die internationale Website von Microsoft, die deutsche Website harrt offensichtlich noch der Anpassung auf das Release); eine Version für XP wird es nicht geben. Erfahrungsgemäß dauert es nach der Veröffentlichung ein paar Tage bis Wochen, bis Microsoft den Browser per automatischem Update auf die Mehrheit der Vista-, Windows-7- und Server-2008-Rechner verteilt.

Performance stand auch bei der Entwicklung des Internet Explorer stark im Vordergrund. So erhielt Microsofts Browser bereits mit der ersten Betaversion eine kompilierende JavaScript-Engine, deren Leistungsfähigkeit im Laufe des Betabetriebs noch erhöht wurde. Mittlerweile liegt der Internet Explorer 9 bei der JavaScript-Performance in der gleichen Liga wie Googles Chrome 10 und Firefox 4. In ganz neue Perfomance-Dimensionen bei Animationen soll der Internet Explorer durch seine Hardware-Beschleunigung vorstoßen. Allerdings hat ein betreffender Vergleich der Grafik-Performance im IE-Blog, laut dem der Microsoft-Browser die Konkurrenz weit hinter sich lässt, massive Kritik aus dem Mozilla-Lager hervorgerufen.

Wie schon durch die Platform Previews bekannt, unterstützt IE9 eine Vielzahl neuer Webstandards wie HTML5-Video, Canvas, SVG und CSS3-Eigenschaften. Gegenüber der Beta-Version kommt das Verständnis neuer HTML5-Tags wie <section> oder <hgroup> dazu; ebenso wie die CSS3-Transformationen im 2D-Kontext steckte dieses Feature bereits in der letzten Platform Preview.

Microsoft hat eine Site mit Demos für den neuen Browser eingerichtet.

Noch im Release-Kandidaten hinzugekommen ist dagegen die Unterstützung der Geolocation-API – die vielleicht größte HTML5-Lücke der bisherigen IE9-Versionen. Wie bei den konkurrierenden Browsern dürfen Webseiten im Internet Explorer 9 den Nutzer nur auf Nachfrage orten. In der Praxis tut er sich aber noch schwer, den Aufenthaltsort eines Nutzers herauszufinden. Weitere, noch nicht so ausgereifte HTML5-Neuerungen will Microsoft in seinen "HTML5 Labs" an Prototypen ausprobieren.

Eine weitere wichtige Neuerung des Release-Kanidaten gegenüber den bisherigen Vorabversionen ist die sogenannte Tracking Protection, die das bisherige InPrivate-Filtering ersetzt. Sie kann Inhalte von fremden Domains aus der Webseite ausfiltern, etwa Google-Analytics-Skripte, Facebook-Buttons, Zählpixel oder extern gehostete Skripte. Dafür stützt sie sich auf Black- und Whitelists – und ähnelt damit Werbeblocker-Erweiterungen wie AdBlock Plus. Microsoft selbst will keine eigenen Tracking-Protection-Listen herausgeben, hostet aber welche.

Der Browser legt sogar selbstständig so eine Liste an, in die er alle Third-Party-Inhalte einträgt, die von mehreren Websites, per Voreinstellung mindestens zehn, eingebunden werden. Der Benutzer muss diese "personalisierte Liste" nur aktivieren. Microsoft hat die Tracking Protection auf Drängen der US-Wettbewerbsbehörde FTC zum Schutz der Privatsphäre des Benutzers gegenüber Werbetreibenden eingebaut. Die Konkurrenz setzt auf andere Lösungen: Firefox setzt zu diesem Zweck einen HTTP-Header und Google hat eine Chrome-Erweiterung vorgestellt.

Mit der "ActiveX-Filterung" erlaubt IE9 eine praxistaugliche Steuerung von sicherheitsrelevanten Plug-ins wie Flash, Silverlight, Quicktime und Java. Anders als die auch weiterhin verfügbare Add-on-Verwaltung schaltet diese neue Funktion alle Plug-ins auf einmal ab und blendet in der Adresszeile einen Hinweis in Form eines durchgestrichenen blauen Kreises ein, wenn Inhalte geblockt wurden; die Plug-ins lassen sich website-weise genehmigen.

Bei den HTML5-Video-Codecs läuft zurzeit alles auf einen Kampf von Googles quelloffenem VP8/WebM gegen das etablierte H.264 hinaus, auf das auch Microsoft setzt. Allerdings kann Internet Explorer alle in Windows installierten Codecs nutzen. Bei WebM habe Microsoft nur die Sorge, wie bei WMV oder MP3 in eine Patentfalle zu tappen, erklärte Microsoft-Evangelist Daniel Melanchthon. Wenn Google die Haftung für diesen Fall übernehme, spreche auch nichts gegen einen Einbau in den Browser.

In punkto Bedienoberfläche gilt beim IE9: Weniger ist mehr. Microsoft hat das Browser-GUI so schlank gestaltet wie bei keinem anderem Browser, um die Website-Inhalte in den Vordergrund zu rücken. Dazu wurden die Tabs in eine Leiste mit dem Adressfeld gepackt; wer möchte, kann der Tab-Leiste aber eine eigene Zeile spendieren. Die Suchmaschine lässt sich künftig wechseln, ohne dass man den Suchbegriff neu eingeben muss. Außerdem sind einige Benachrichtigungsdialoge auffälliger und das Anheften an die Windows-7-Taskleiste wurde verbessert.

Siehe dazu auch:

(jo)