Twitter fĂĽr Unternehmen

Das soziale Business-Netzwerk Yammer hat eine interessante Vermarktungsstrategie: Erst lockt es die Arbeitnehmer an, dann das Management.

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Von
  • Lauren Cox

Das soziale Business-Netzwerk Yammer hat eine interessante Vermarktungsstrategie: Erst lockt es die Arbeitnehmer an, dann das Management.

Die meisten Hersteller von Social-Networking-Lösungen für Unternehmen versuchen, sich nach der Top-to-Bottom-Methode in einer Firma zu etablieren: Jive oder IBM Lotus Connections gehören dazu. Dabei wird versucht, dem Management einer Firma beispielsweise Blogs, Wikis oder Facebook-artige Profilseiten zu verkaufen, die besonders gut mit jener Geschäftssoftware funktionieren sollen, die bereits vorhanden ist. Bei Yammer, das man als Twitter für Unternehmen bezeichnen könnte, regiert jedoch ein anderer Vermarktungsansatz: Schnappe Dir zuerst die gewöhnlichen Mitarbeiter und locke darüber dann die Konzernleitung an.

Der Dienst erlaubt es seinen Nutzern, Microblogging-Postings abzusetzen, untereinander über Kurzbotschaften zu kommunizieren, Online-Gruppen zu bilden und Dokumente hochzuladen. Jeder Nutzer mit der E-Mail-Adresse eines Unternehmens kann Yammer zunächst kostenlos nutzen. Die erste Person innerhalb einer Firma, die den Dienst nutzt, legt das Netzwerk an; kommen Kollegen hinzu, werden diese automatisch Teil davon. Weder die IT- noch die Personalabteilung müssen etwas davon wissen.

Aber das soll nicht bedeuten, dass das Management ganz draußen bleiben muss. "Mit der Zeit kommen die Chefs dazu und posten selbst", erklärt Yammer-Boss und Gründer David Sacks, der vorher unter anderem an vorderster Front bei PayPal mitmischte. Trotzdem soll vor allem die Software selbst dafür sorgen, dass neue Kunden hinzukommen – und nicht die Vertriebsabteilung.

Der Dienst selbst muss also zeigen, wie er Kommunikationsabläufe vereinfachen und die Menschen produktiver machen kann, sagt Sacks. Gleichzeitig sorge das Modell dafür, dass niemand erst in teure Software investieren müsse, die dann vielleicht gar nicht benutzt werde.

Social-Networking-Experte Stowe Boyd hält Yammers Methode für gelungen – sie sei auf eine subversive Art revolutionär. "Firmen finden dann mal eben nebenbei heraus, dass bereits 500 ihrer Leute bei Yammer mitmachen. Dann wollen sie wieder eine gewisse Kontrolle darüber zurück."

Dazu muss das Management sich dann entschließen, die Premium-Version von Yammer zu erwerben. Diese hat zusätzliche Funktionen wie die Möglichkeit, Yammer mit Mitarbeiterkontaktlisten und bestehender Geschäftssoftware zu verknüpfen. Dafür zahlen Firmen grundsätzlich fünf Dollar pro Monat und Mitarbeiter. (Das klingt wenig, lässt sich allerdings nicht leicht mit den Angeboten von Konkurrenten wie Jive und IBM vergleichen, weil die stets auf den Kunden zugeschnittene Offerten bieten.)

Laut Sacks haben inzwischen zwei Millionen Angestellte von mehr als 100.000 Firmen Yammer verwendet, 15 bis 20 Prozent der Arbeitnehmer nutzen die Premium-Version.

Die "Einfach so mitmachen"-Strategie von Yammer scheint dabei recht gut funktionieren. So hat der US-Automobilclub AAA mittlerweile mehr als 50 seiner regionalen Untergruppen in dem Netzwerk. Einige verwenden Yammer für das Tagesgeschäft, andere nur für gelegentliche Konversationen, sagt Sprecherin Janie Graziani. Die Angestellten, die bereits jetzt auf das AAA-Intranet zugreifen, hätten sich nicht umstellen müssen. "Yammer ist einfach ein "Nutze es, wenn es Dir und Deiner Arbeit hilft"-Ding." Man zwinge die Leute nicht, es statt E-Mail zu nutzen.

Auch wenn sich Yammer leicht in Organisationen verbreitet – die Ad-hoc-Struktur hat auch Nachteile. David Coleman, Gründer des Beratungsunternehmens Collaborative Strategies, fürchtet Informationssilos, wenn nicht allen Mitarbeitern klar ist, wo Daten steckten. Zudem müssten Yammer und seine Konkurrenten noch beweisen, ob sie Firmen wirklich dabei helfen könnten, profitabler zu sein. "Zusammenarbeit nur aus der Tatsache heraus, dass man es kann, ist an sich noch keinen Wert." Yammer müsse Kunden deshalb klar machen, welche Möglichkeiten das neue Kommunikationsmodell habe. (bsc)