Vor 25 Jahren: Heinz Nixdorf stirbt auf der ersten CeBIT

Der Unternehmer begann seinen Aufstieg 1952. Etwa 30 Jahre später ignorierte Heinz Nixdorf das Aufkommen des Personalcomputers.

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Von
  • Detlef Borchers

Ausgerechnet auf der ersten eigenständigen CeBIT erlag der deutsche Computerpionier Heinz Nixdorf am 17. März 1986 einem Herzinfarkt. Wenige Wochen vor seinem 61. Geburtstag traf ihn der Tod beim Tanzen auf einer der legendären Messeparties des damals viertgrößten europäischen Computerherstellers. Ein Jahr später begann der Abstieg seines Unternehmens, das auf Nixdorfs Geheiß den Personalcomputer ignorierte: "Wir bauen keine Goggomobile."

Mit der Gründung der Heinz Nixdorf Labor für Impulstechnik im Jahre 1952 begann eine "deutsche Karriere" im besten Sinn. Der am 9. April 1925 in Paderborn geborene Nixdorf hatte als Physikstudent zuvor als Assistent von Walter Sprick gearbeitet, der im Dienst von Remington Rand einen Elektronenrechner für die Landesbrandkasse in Kiel konstruierte. Während Sprick zur IBM wechselte und an anderen Projekten arbeiten musste, verkaufte Heinz Nixdorf Spricks Idee des Elektronenmultiplizierers an die Essener RWE. Für 30.000 DM wurde dieser Rechner Anfang 1954 geliefert, wobei Sprick mit Patenten, vielen Ideen und Vorschlägen bei seiner Realisierung eine tragende Rolle spielte. Nixdorf war dabei nicht der Tüftler und Erfinder, sondern der unermüdliche Organisator.

Nixdorf berichtet seinem Mentor Walter Sprick vom Start der Firma

(Bild: Heinz Nixdorf Museumsforum)

Das nächste Produkt war der Elektronenmultiplizierer EM20, der an die Tabelliermaschinen des französischen Büromaschinenherstellers Bull angeschlossen werden konnte. Darauf folgte 1958 ein noch leistungsfähigerer Multiplizierer namens Gamma 172, bei dem ein junger Philips-Ingenieur die Röhrentechnik durch Transistoren ersetzte. Im Jahre 1959 verlegte Nixdorf seine Firma nach Paderborn, wo 1962 der von seinem Entwicklingsingenieur Horst Hager entworfene Conti entstand. Produziert wurde der erste druckende elektronische Tischrechner in Lizenz bei den Kölner Wanderer-Werken. Im Jahre 1968 orderte die Victor Comptometer aus Chicago 10.000 Exemplare des Tischrechners und zwang Wanderer in eine Massenproduktion, die die Firma letztlich ruinierte.

In Paderborn stieß unterdes der begabte Ingenieur Otto Müller zu Nixdorf, der für die Wanderer-Werke einen Kleincomputer namens Logatronic entwickelte, aus der dann das Nixdorf System 820 entstand, der erste Kleinrechner mit Kernspeicher und integriertem Nadeldrucker. Dank des enormen Erfolges dieses Rechners, mit dem Nixdorf auch in den USA und Japan Fuß fassen konnte, konnte Nixdorf 1968 Wanderer kaufen und die Nixdorf AG gründen. Auch Victor Comptometer wurde von Nixdorf geschluckt.

Mit dem System 820 legte Nixdorf den Grundstein zu einem rasanten Aufstieg

(Bild: Heinz Nixdorf Museumsforum)

Der nächste Schritt war die Entwicklung des Nixdorf System 620, basierend auf der Übernahme eines Datensammelsystems der US-Firma Entrex. Auf Basis des Systems 820 entstanden zudem einen Vielzahl von Nixdorf Computern wie Bankenterminals, Großhandels- und Kassensysteme und schließlich die ersten ISDN-Anlagen – gegen den Widerstand der Deutschen Bundespost. Was die Netzwerkfähigkeit der Produkte anbelangte, war die Nixdorf AG ihrer Zeit weit voraus, auch auf Drängen von Heinz Nixdorf: Die Nixdorf-Terminalstationen konnten über hauseigene Emulationen via Nixdorf Communication Network (NCN) in IBM-, Siemens- oder Olivetti-Netzen betrieben werden, was vor allem im Bankengeschäft wichtig war. Als erster Hersteller ging Nixdorf dazu über, Ferndiagnose per Fernleitung über Akustikkoppler anzubieten. Später wurden alle Nixdorf-Rechner mit einem integrierten Modem ausgeliefert. Im Jahre 1977 setzt die Nixdorf AG erstmals mehr als 1 Milliarde DM um.

Heinz Nixdorf auf dem Höhepunkt seiner Karriere

(Bild: Heinz Nixdorf Museumsforum)

Über Jahre hinweg stellte die Nixdorf AG ihre Produkte auf der Hannover Industrie-Messe in "Hölle 17" aus, der lautesten Messehalle, erfüllt vom Lärm der Kettendrucker und Lochkartenleser. Mit der Abkoppelung der BIT, der Büro- und Informationstechnik zur CeBIT, beginnt 1986 ein neues Zeitalter. Der Personalcomputer kommt – und Heinz Nixdorf reagiert nicht. Sein Biograph Klaus Kemper schreibt zum Jahreswechsel 1985/86: "Ungerührt von der zunächst boomartig steigenden Nachfrage nach Home- und Personalcomputern lässt er dieses Geschäft an sich vorübergehen." Kemper erklärt dies mit den Erfahrungen aus der Massenproduktion des Conti-Rechners. Aus jener Zeit, als die erste CeBIT geplant wurde, existiert eine Anfrage einer in Paderborn offenbar unbekannten Firma Apple Computer aus dem Jahre 1985, ob man nicht Interesse hätte, in Lizenz Apple-Produkte in Europa zu fertigen. Auf diese Anfrage scheint Heinz Nixdorf nicht mehr reagiert zu haben. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Firma 23.300 Mitarbeiter in 44 Ländern und war damit nicht unbedingt klein. Auf der ersten CeBIT soll sich Heinz Nixdorf heftige Wortgefechte mit ehemaligen Mitarbeitern geliefert haben, die ihn drängten, den Kurs seines Unternehmens zu ändern. Heinz Nixdorf vertröstete sie auf ein anderes Mal, er wollte feiern.

Zum 25. Todestag halten Nixdorf-Mitarbeiter ihren Chef in hohen Ehren. Stu Savory, der ehemalige KI-Guru der Nixdorf AG, schreibt in seinem Blog über die 15 schönsten Jahre seines Lebens. Zum heiter-traurigen Jubiläum bietet das in der ehemaligen Firmenzentrale errichtete Museumsforum zusammen mit der Heinz Nixdorf Stiftung (PDF-Datei) einen Gang auf den Spuren von Heinz Nixdorf an. Dabei wird der Ausflug mit maximal 500 Euro von der Stiftung subventioniert. Außerdem wird am kommenden Sonntag ein Familientag im Museumsforum veranstaltet, bei dem ehemalige Nixdorf-Mitarbeiter zeigen, wie einstmals Platinen mit der Hand bestückt wurden. Zudem gibt es ein Treffen der Ro 80-Besitzers in Erinnerung an einen engen Freund des Computer-Pioniers Heinz Nixdorf: Felix Wankel wollte mit seinen Motoren in den 70ern erklärtermaßen der Nixdorf der Automobilisten werden. (anw)