Neues Schutz-Abkommen für Rundfunkprogramme und Webcasts

In Genf verhandelt die World Intellectual Property Organisation ab heute erneut um eigene Rechte für Rundfunkorganisationen an gesendeten Programmen und audiovisuellem Rohmaterial.

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Von
  • Monika Ermert

Ab heute tagt in Genf der Ständige Ausschuss "Urheber- und Verwandte Rechte" (SCCR) der World Intellectual Property Organisation (WIPO). Er bereitet in den kommenden fünf Tagen ein internationales Abkommen zum Schutz der Rechte von Rundfunkorganisationen an gesendeten Programmen und audiovisuellem Rohmaterial vor. Laut dem aktuellen Entwurf "WIPO Treaty on the Protection of Broadcasting Organizations" soll das Material für 50 Jahre geschützt bleiben. Die Umgehung technischer Schutzmaßnahmen soll unter Strafe gestellt und auf Vorschlag von Seiten der USA sollen auch ins Netz gestreamte "Programme", also Webcasts, geschützt werden.

Kurz vor dem Treffen in Genf meldeten sich verschiedene Bürgerrechtsorganisationen zu Wort, die den Vertrag äußerst kritisch beurteilen. Sie befürchten eine weitere Einschränkung der "Public Domain" – des Fundus öffentlich zugänglicher digitaler Inhalte. Außerdem warnte das Consumer Project on Technology und die Civil Society Coalition (CPTech), dass Schutzrechte für den Rundfunkbetreiber nicht zuletzt mit den Rechten derer kollidieren, die der WIPO besonders am Herzen liegen sollten: nämlich der eigentlichen Urheberrechtsinhaber. Diesem Urteil haben sich auch die Organisation Public Knowledge und der Internationale Journalistenverband angeschlossen.

Unbedingt bedürfe es einer Klarstellung, so heißt es in Vorschlägen der Civil Society Coalition an die WIPO, dass der eigentliche Urheberrechtsinhaber die weitere Nutzung eines Beitrags erlauben darf, auch gegen den Willen des Senders. In dem geplanten Vertrag müsse klargestellt werden, dass es bei dem Schutz nicht um den eigentlichen Inhalt, sondern um das "Signal" gehe. Signalpiraterie, also das erneute Senden von fremden Produktionen ohne Genehmigung, ist laut den Befürwortern des Vertrags das zentrale Problem, mit dem der Broadcasting Treaty aufräumen soll.

Besonders kritisch gehen die Bürgerrechtler mit der Ausdehnung der Rundfunk-Schutzrechte auf das Internet ins Gericht. Die geplanten Restriktionen würden nicht nur dem Urheberrechtsinhaber, sondern auch dem Web ingesamt schaden. "Das ganze ist so weit auslegbar, dass es alle Inhalte im Web (einschließlich Texten und Bildern) mit einem Schutzrechtsrahmen belasten wird, der eigentlich für die Ausstrahlung von Rundfunkprogrammen gedacht war." Noch sucht CPTech nach weiteren Organisationen, die die an den Ständigen Ausschuss gerichteten Verbesserungsvorschläge (PDF-Datei) unterstützen wollen.

Zu den Kritikern hat sich inzwischen kein geringerer gesellt als die Firma Intel, deren kritische Stellungnahme auf mehreren NGO-Listen und Blogs kursiert. Unter anderem fürchtet das Unternehmen, es könnte den Herstellern digitaler Videorekorder oder auch denen von Mobilgeräten an den Kragen gehen, wenn sie nicht vorab Rechte von Programmveranstaltern einkauften. Die Abklärung von Rechten werde noch weiter verkompliziert, Innovation werde behindert. Außerdem könnten in Zukunft Softwareentwickler, Gerätehersteller und ISP mit zur Verantwortung gezogen werden. Intel fordert daher die Beerdigung des Vertragswerks.

Beim Riesenstreitpunkt technische Schutzmaßnahmen und Digital Rights Management (DRM) hat die WIPO kurz vor dem Treffen noch eine Studie zu DRM-Ausnahmeregelungen für den Bildungsbereich und für Sehbehinderte und Blinde vorgelegt. Technische Schutzmaßnahmen, die durch den Broadcasting Treaty laut Intels Befürchtungen möglicherweise verpflichtend gemacht werden sollen, machen auch den Zugang für gesellschaftliche Gruppen und Zwecke unmöglich, die entsprechend der klassischen Schrankenregelungen privilegiert werden sollen. Nic Garnett, Chief Strategist beim Beratungsunternehmen Media Rights Technologies und früherer Manager beim DRM-Spezialisten Intertrust resümiert in der WIPO-Studie nun, dass es keine Hinweise gebe, dass gesetzgeberische Maßnahmen zur Durchsetzung solcher Privilegien auch in DRM-geschützten Systemen Abhilfe schaffen. Stattdessen sollten sich WIPO und ihre Mitgliedsstaaten auf die Entwicklung und den Gebrauch "freiwilliger Lizenzarrangements" und die Etablierung von vertrauenswürdigen Dritten konzentrieren, die die Einhaltung solcher Lizenzarrangements überwachen. Durch die NGO-Szene ging nach dieser Studie ein Aufheulen: immerhin ist Nic Garnett über Jahre hinweg als Chef der International Federation of the Phonographic Industry (IFPI) tätig gewesen. (Monika Ermert) (it)