Unabhängige Datenschutzkontrolle sorgt weiter für Zündstoff

Der Kabinettschef von EU-Justizkommissarin Viviane Reding hat mit Unverständnis auf die Ansicht der Bundesregierung reagiert, dass eine vollkommen unabhängige Datenschutzbehörde nicht verfassungsgemäß sei.

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Die langjährige Auseinandersetzung zwischen Brüssel und Berlin über Datenschutzbehörden geht in die nächste Runde. Martin Selmayr, Kabinettschef von EU-Justizkommissarin Viviane Reding, beklagte am Dienstag auf einem Kongress des eco-Verbands und der Zeitschrift "Multimedia und Recht" in Berlin, dass sich die Bundesregierung auch nach dem "legendären Urteil" des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur "völligen Unabhängigkeit" von Datenschutzkontrolleuren gegen die Umsetzung der Entscheidung stemme.

Berlin habe der Kommission mitgeteilt, dass die vollkommene Unabhängigkeit einschlägiger Behörden hierzulande nicht mit der Verfassung vereinbar sei, zeigte sich Selmayr verwundert. Dabei seien Einrichtungen wie nicht direkt vom Staat kontrollierte Zentralbanken oder Wettbewerbsbehörden quasi "deutsche Erfindungen". Wenn Deutschland den Beschluss des EuGH nicht verfolge, könne die Kommission dort die Verhängung einer Geldbuße beantragen, stellte Selmayr klar. An der Unabhängigkeit der Kontrolleure sei nicht zu rütteln. Jeglicher Einfluss auf die Behörden sei zu vermeiden.

Die Brüsseler Regierungseinrichtung hatte 2005 wegen angeblich unzulänglicher Datenschutzgesetze ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet und später den EuGH angerufen. Der gab ihr vor einem Jahr Recht. Die meisten Bundesländer, die ihre Datenschutzkontrolleure bislang noch staatlich beaufsichtigten, hätten dem Urteil aus Luxemburg inzwischen Folge geleistet, erklärte der Berliner Landesdatenschutzbeauftragte Alexander Dix gegenüber heise online. Der Bundesdatenschutzbeauftragte sei dagegen noch dem Bundesinnenministerium nachgeordnet. Hier gebe es dringenden Korrekturbedarf.

Selmayr kündigte ferner an, dass Reding mit der anstehenden Novellierung der EU-Datenschutzrichtlinie von 1995 "viel klarstellen und festzurren" sowie die Ansprüche der Bürger auf Transparenz und gegebenenfalls Korrektur und Löschung ihrer personenbezogenen Informationen stärken wolle. Es sei angesichts der von Mitgliedsstaaten und Unternehmen in den vergangenen 15 Jahren an den Tag gelegten "Datensammelwut" zu fragen, ob all die erhobenen Informationen tatsächlich erforderlich seien oder "doch viel auf Vorrat gespeichert wird". Es gehe auch darum, einen in sich schlüssigen Rahmen zu schaffen, der keine Sonderregeln für den Bereich der inneren Sicherheit mehr enthalten dürfe, meinte Selmayr.

Mit der Reform will Reding ihrem Kabinettschef zufolge zudem das Datenschutzniveau im Binnenmarkt vereinheitlichen. Bisher seien die Länder nur an Mindeststandards gebunden, sodass von einer echten Harmonisierung nicht die Rede sein könne. Dies habe der Streit über den Start von Google Street View in europäischen Ländern gezeigt: Jede Behörde habe hier ganz anders reagiert, auch wenn sich alle auf die Datenschutzrichtlinie bezogen hätten. Als weitere Kernpunkte nannte Selmayr die Verankerung von Prinzipien wie Datensparsamkeit, Technikneutralität, Selbstregulierung und eine internationale Ausrichtung.

Der Politiker begrüßte es in diesem Zusammenhang, dass Gespräche mit den USA langsam Fortschritte machten. Derzeit könne die Privatsphäre ausländischer Bürger jenseits des Atlantiks "bis zum Nichts eingeschränkt werden". Wichtig sei daher der baldige Verhandlungsstart über ein Datenschutzabkommen im Strafverfolgungsbereich. Mit dem detaillierten Vorstoß zur EU-Rechtsnovellierung rechnet Selmayr im Spätsommer. Eventuell werde die Kommission vorschlagen, den Teil des Vorhabens für den öffentlichen Sektor in einer Richtlinie abzuhandeln. Dabei seien viele Kompromisse absehbar. Die Regelungen für den Wirtschaftsbereich könnten dagegen in eine formal striktere Rahmenverordnung eingebaut werden, die sofort gültig wäre und eine volle Harmonisierung mit sich brächte. (vbr)