Streit um angeblich übernommene Wörterbuch-Inhalte

Zwei Betreiber freier Wörterbücher beschuldigen ein Hamburger Unternehmen, ihre Daten übernommen zu haben und die GNU General Public License verletzt zu haben.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Torsten Kleinz

Im Oktober startete die Hamburger Firma Pagedesign ihr Angebot woerterbuch.info, heute bezeichnet sie ihr Angebot als "eines der umfangreichsten Online-Wörterbucher überhaupt". Nutzer können dort kostenlos die Übersetzung von 500.000 deutschen und englischen Begriffen nachschlagen. Doch wenn man nach den Aussagen von zwei Betreibern freier Wörterbücher geht, haben sich die Hamburger an deren Wortschatz gütlich getan und die GPL gebrochen.

Paul Hemetsberger, Betreiber des Online-Wörterbuchs dict.cc, verglich das neu gestartete Angebot mit seinem Wörterbuch; er habe dabei erstaunliche Übereinstimmungen bis hinunter in den HTML-Quelltext festgestellt. Einzelne Übereinstimmungen, die er beanstandet habe, seien anschließend aus dem Bestand der Hamburger verschwunden. Da Hermetsberger seine Wörterliste zum freien Download unter der GPL anbietet, ist eine Übernahme einfach möglich -- erfordert aber die Befolgung der Lizenzbestimmungen, etwa die Nennung der Quelle. Unter dem Angebot der Hamburger steht aber lediglich ein Hinweis auf das eigene Copyright.

Auch Frank Richter, Betreiber von dict.tu-chemnitz, hat auffällige Übereinstimmungen gefunden. So hatte er öfters seine Heimatstadt Chemnitz in die Übersetzungen eingebunden. "Jemand anders, der nicht aus Chemnitz kommt, würde kaum dieses Beispiel verwenden", sagt Richter. Dennoch finden sich auch bei Woerterbuch.info Ausdrücke wie "Chemnitz revisited" oder "in the Chemnitz area".

Pagedesign stritt gegenüber Hemetsberger ab, den Datenbestand von dict.cc integriert zu haben und beschuldigte ihn, von ihrem Angebot profitieren zu wollen. Gegenüber heise online wollte Pagedesign-Geschäftsführer Yves Brinkmann keine Stellungnahme abgeben. Im Impressum der Suchmaschine taucht aber neuerdings eine "urheberrechtliche Klarstellung" auf. Dort gibt die Firma an, die Datenbasis für ihr Wörterbuch im Jahr 2001 käuflich erworben zu haben, lässt aber die genaue Herkunft offen. Bei einer Stichprobe fanden sich ausnahmslos alle Übersetzungen des Hamburger Anbieters bei seiner früher gestarteten nicht-kommerziellen Konkurrenz. Auch sehr prägnante Übersetzungen scheinen auf Punkt und Komma bis hin zu den Rechtschreibfehlern identisch zu sein. Dies gilt auch für den Bereich "Sprachgebrauch", bei dem längere Ausdrücke übersetzt werden.

Dieser Übereinstimmungen ist sich Pagedesign offenbar bewusst. Auf der Webseite heißt es dazu: "Sämtliche Erweiterungen basieren auf der Tätigkeit unserer Mitarbeiter -- aber auch unserer Benutzer. Es ist deshalb sehr gut möglich, dass unser Wörterbuch auch Einträge enthält, die sich mit denen aus anderen Online-Wörterbüchern decken -- immerhin verfügen wir mit über 500.000 Übersetzungen über eine der größten Übersetzungs-Datenbanken überhaupt." Sichherheitshalber weist Pagedesign darauf hin, dass einzelne Übersetzungen mangels literarischer Wortschöpfung nicht schützenswert seien. Auch folgt eine Aufforderung an die Betreiber anderer Online-Wörterbücher: "Wir bitten seriöse Mitbewerber darum, sich bei Zweifelsfragen diskret an uns zu wenden. Gegen voreilige Diffamierungen in öffentlich zugänglichen Medien werden wir uns natürlich konsequent zur Wehr setzen."

Hemetsberger hat die Firma über einen Anwalt zur Einhaltung der GPL aufgefordert; Pagedesign hat darauf mit einer Unterlassungserklärung gegen Hemetsberger reagiert, die dieser allerdings nicht unterschrieb. (Torsten Kleinz) / (jo)