Monopolschutz auf Speicherplatz-Sparen wird "Softwarepatent des Monats"

Im April hat sich bei der Wahl des "gefährlichsten Schutzanspruchs" des Europäischen Patentamtes ein Patent zur besseren Speicherplatzverwaltung für eine Folge numerischer Werte der Firma Techem durchgesetzt.

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Im April hat sich bei der Wahl des gefährlichsten Schutzanspruchs des Europäischen Patentamtes (EPA) ein Patent auf die bessere Speicherplatzverwaltung für eine Folge numerischer Werte der Techem AG durchgesetzt. Der Eschborner Dienstleister für die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft hat mit dem ihm erteilten Monopolschutz für ein Verfahren zur "Einsparung von Speicherplatz" die Kür zum "Softwarepatent des Monats" der Plattform NoSoftwarepatents-Award gewonnen. 1779 Surfer und damit 50,3 Prozent der Teilnehmer votierten für das gewerbliche Schutzrecht, das Ansprüche wie zum "Suchen auf Landkarten" von Microsoft oder zur "graphischen Darstellung von Herzfrequenzen" von LMS Medical Systems hinter sich ließ. Das Techem-Patent ist nun gemeinsam mit dem Gewinner des Vormonats von Philips Aspirant auf das im Herbst zu bestimmende "Softwarepatent des Jahres".

Für die Initiatoren der Informationskampagne, zu denen 1&1 und GMX zählen, zeigt das ausgewählte Patent "mustergültig die Probleme auf, die mit der seit vielen Jahren üblichen Vergabe von Softwarepatenten einhergehen". Die Ansprüche würden sich auf einen Algorithmus zur Skalierung von Zahlen beziehen, den "Informatik-Studenten normalerweise im zweiten Semester kennenlernen". An der Trivialität des geschützten Verfahrens ändere wenig, dass es auf die Anwendung in "Verbrauchserfassungsgeräten" eingeschränkt sei. Aber höchstens so sei erklärbar, dass die Prüfer im Patentamt den Algorithmus zum Teilen und Runden einer Zahlenansammlung trotz des Verbots zum Schutz von Programmen zur Datenverarbeitung "als solchen" im Europäischen Patentübereinkommen für patentierbar befunden hätten.

Techem hat das Patent nach eigenen Angaben zur Selbstverteidigung beantragt. Für die Firma hatte sich angesichts der weit gehenden Patentierungspraxis des EPA einem Sprecher zufolge die Frage gestellt: "Was passiert, wenn wir bestimmte Verfahren, die für unsere Geschäftstätigkeit wichtig sind, nicht patentieren lassen? Dann würden wir aufgrund des überschaubaren Marktes, in dem wir uns bewegen, ein erhebliches Risiko eingehen, dass uns ein Wettbewerber zuvorkommt, und dass wir selbst von der Nutzung eines Verfahrens ausgeschlossen sind." Sein Haus setze das Verfahren dafür ein, um bei rund sieben Millionen installierten Verbrauchserfassungsgeräten für Wärme und Wasser die relevanten Zahlenfolgen an mobile Datenempfänger zu funken.

Selbst Patentanwälte wie Michael Wolf sehen von dem Schutzanspruch eine große Bedrohung für andere Marktakteure ausgehen. "Wahrhaft problematisch" ist nach Ansicht des Experten, "dass Dritte jedenfalls wegen des Schutzbereichs des Patents verunsichert sein könnten". Da der Kern der "patentgemäßen Lehre" die mathematische Transformation betrifft, sei auch anhand der komplexen Beschreibung anzunehmen, dass die Formel selbst geschützt sei. Wieder einmal sei zur Abgrenzung gegenüber einer so genannten reinen "Software-Erfindung" offensichtlich ein "technischer Effekt" zur Begründung der Patentfähigkeit herangezogen worden.

Ähnlich betrachtet die Sache Andreas Neumann, Mitarbeiter am Zentrum für Europäische Integrationsforschung an der Universität Bonn. "Dass ein solches Verfahren speziell für den Bereich der Verbrauchserfassungsgeräte patentiert ist, obwohl es zu diesem keinen spezifischen Bezug aufweist, wird kaum ein Programmentwickler ernsthaft in Betracht ziehen. Die Gefahr, dieses Patent versehentlich zu verletzen, ist damit besonders groß", fürchtet der Spezialist für Telekommunikationsrecht. Eine unwissentliche Patentverletzung würde nicht vor den wirtschaftlichen Konsequenzen schützen, wenn für eine Software zur Verbrauchserfassung plötzlich horrende Lizenzgebühren gefordert werden. Kleine und mittlere Unternehmen, die im Bereich der Softwareentwicklung tätig sind, würden "durch die allgegenwärtige Gefahr einer Patentverletzung letzten Endes mit einem erheblichen Rechercheaufwand belastet".

Joachim Henkel, Professor für Technologie- und Innovationsmanagement in München, kann bei dem Patent ebenfalls keinen "erfinderischen Schritt" erkennen. Die Folgen der Gewährung vergleichbarer Schutzansprüche seien "geringerer Wettbewerb, höhere Preise für Konsumenten, Rechtsunsicherheit und Aufwand für Rechtsstreitigkeiten". Es komme zu einem "Rüstungswettlauf" mit immer mehr Patenten. Auch der Patentanwalt Wolf mahnt daher, "die Grenzen der Patentierbarkeit noch klarer und eindeutiger als bisher zu definieren".

Die Aufklärungskampagne geht mit fünf neuen Kandidaten für Mai in die nächste Runde. Interessierte Surfer haben dieses Mal die Wahl etwa zwischen einem Microsoft-Patent auf die Programmfunktion "Rückgängigmachen/Wiederholen", einem Anspruch von Lucent auf das Versenden von E-Mails mit multimedialen Anhängen oder einem Sun Microsystems gewährten Schutzrecht auf ein Verfahren zum Einschalten eines Computers über ein Netzwerk.

Zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente unter anderem in Europa und um die die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (jk)