Google: Larry allein zu Haus

Ab Montag ist Larry Page alleiniger Chef des von ihm mitgegründeten Unternehmens. Google steht reichlich aufstrebende Konkurrenz und verstärkte staatliche Kontrolle bevor.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Andrej Sokolow
  • dpa

Bei Google beginnt an diesem Montag eine neue Ära: Wie im Januar angekündigt, übernimmt Mitgründer Larry Page als Chef die Zügel. Er hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Der Internet-Riese mit seinen rund 25.000 Mitarbeitern soll wendiger werden und wieder mehr wie ein kleines Start-Up-Unternehmen agieren.

Wenn der 38-Jährige Page die Verantwortung für sein Lebenswerk übernimmt, muss er sich einer Menge Probleme stellen. Google verteilt seine Kräfte auf unüberschaubar viele Bereiche, neue Rivalen wie Facebook bohren sich in das Geschäft mit Online-Werbung. Gleichzeitig ist die Marktmacht der dominierenden Internet-Suchmaschine den Wettbewerbshütern weltweit ein Dorn im Auge. Politiker, vor allem Datenschützer, geißeln den Konzern gern als "Datenkrake".

Vor zehn Jahren war Page schon einmal Google-Chef. Doch er und sein Mitgründer Sergey Brin – der sich künftig um strategisch wichtige Projekte und vor allem um neue Produkte kümmern soll – waren damals in den Augen ihrer Investoren nur zwei Endzwanziger mit einer Zauberformel, die das Internet ordnete, und mussten sich einen "richtigen" Firmenchef suchen. Ihr Wunschkandidat nach einer Serie von Treffen: Apple-Gründer Steve Jobs. Schließlich entschieden sie sich für den Software-Manager Eric Schmidt, mit dem Google zu einer Milliarden-Maschine wurde. Nun hat Page anscheinend die nötige Reife erreicht: "Tägliche Aufsicht durch Erwachsene nicht mehr nötig!", twitterte Schmidt am 20. Januar zur Ankündigung des Chefwechsels.

Erste Akzente setzte Page bereits in den vergangenen Wochen. So habe er Führungskräfte überzeugt, jeden Nachmittag gemeinsam in einem öffentlichen Bereich auf dem kalifornischen Firmengelände von Google zu arbeiten, damit Beschäftigte sie direkt ansprechen können, berichtete das Wall Street Journal. Produkt- und Software-Manager forderte er demnach per E-Mail auf, ihm in maximal 60 Wörtern zu erklären, woran sie gerade arbeiten. Insider gingen davon aus, dass Page mehr Struktur in die vielen Projekte bringen wolle, die in Google herumwuchern. Manche werde er schließen, manche zurückstufen.

Denn Google ist heute in vielen Bereichen aktiv, von Bürosoftware über den bisher nur wenig erfolgreichen Vorstoß ins Wohnzimmer mit dem Fernsehdienst Google TV bis hin zur Entwicklung autonom fahrender Roboter-Autos . Mit Chrome OS will Google ein neuartiges Computer-Betriebssystem etablieren, mit der Smartphone-Plattform Android ist der Konzern eine treibende Kraft im Mobilfunkmarkt und die Maschine hinter dem wenigen Gegenwind, den Apple dort verspürt. Seine Milliarden verdient Google aber nach wie vor hauptsächlich mit der Online-Werbung, vor allem den kleinen Anzeigen, die neben Suchergebnissen eingeblendet werden.

Und gerade im lebenswichtigen Kerngeschäft Internet-Suche wachsen die Gefahren. Google ist zwar weiterhin die unangefochtene Nummer eins unter den Suchmaschinen. Doch gerade diese Stärke nutzte der Erzrivale Microsoft jüngst, um den Druck bei EU-Wettbewerbshütern zu verstärken, pünktlich als Antrittsgeschenk für Page.

Zudem droht das Online-Netzwerk Facebook mit seinen 600 Millionen Mitgliedern, auch das Suchverhalten der Nutzer zu verändern: Empfehlungen der Freunde und Bekannten zählen oft mehr als dieTreffer, die ein Algorithmus ausspuckt. Vor ein paar Tagen startete Google einen neuen Versuch, diese soziale Suche in den Griff zu bekommen: Der +1-Knopf ist die Antwort auf Facebooks "Gefällt mir!".

Eigentlich ändere sich ja nicht so viel, hatten Page, Brin und Schmidt das Stühlerücken heruntergespielt. Schmidt bleibe schließlich als Verwaltungsratschef an Bord, und strategische Entscheidungen würden sie wie bisher zu dritt treffen. Doch Page ist nun der Chef. Die Führungstroika aus Page, Brin und Schmidt sei nicht dynamisch genug gewesen, um schnell auf die Herausforderungen zu reagieren, hieß es zur Ankündigung des Chefwechsels.

"Schmidt war der Prinzregent, der solange regiert, bis der junge König in den Thron einnehmen kann", meinte damals der amerikanische Journalismus-Professor und Google-Experte Jeff Jarvis. "Wir wussten, dass dies passieren wird. Wir hatten es nur vergessen." (it)