CFP 2006: Erstmalig kein amerikanischer Big Brother Award

Heimlich, still und leise ändere sich der Alltag, warnte Twelve Hawks während der "Computer Freedom and Privacy Conference" vor der Aushöhlung der Privatsphäre. Das amerikanische Volk beuge sich schweigend der Auslöschung der Bürgerrechte.

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Von
  • Wolfgang Kleinwächter

Es gehört zu den Traditionen der seit 16 Jahren stattfindenden "Computer Freedom and Privacy Conference" (CFP), dass am zweiten Abend die "Big Brother Awards" verliehen werden. Niemand möchte diesen Preis eigentlich gerne haben: Damit wird nur der ausgezeichnet, der sich hervorgetan hat als Ignorant gegenüber grundlegenden bürgerlichen Rechten wie Meinungsfreiheit oder Schutz der Privatspähre.

In diesem Jahr wurde jedoch erstmalig seit Langem kein Preis verliehen. Die Organisatoren der CFP 2006 erklärten das mit "organisatorischen Schwierigkeiten". Kandidaten hätte es genug gegeben, aber die Jury sei nicht mehr rechtzeitig zusammengekommen. Und so habe man das auf das nächste Jahr – 2007 in Montreal – verschoben. Einige Teilnehmer waren allerdings der Auffassung, dass der Veranstaltungsort im Jahr 2006 – Washington, D.C., – wie von selbst zur Zurückhaltung gemahnt hätte. Hätte man wirklich die drei üblichen Preise verliehen, meinte ein Teilnehmer, dann hätte George Bush den ersten Preis bekommen. Der zweite Preis wäre an George W. Bush gegangen; und Bush hätte auch den dritten Preis bekommen. Das wollte man offensichtlich in der Kapitale des "Reiches der Guten" vermeiden, dazumal als "Key Note Speaker" des Abends Stewart Baker vom Department of Homeland Security (DHS) geladen war. Überdies wurde er auf der Konferenz auch noch eingeführt von Jane Horvath, der neuen Privacy-Kommissarin beim Department of Justice der US-Regierung. So viel offizielle und hochrangige Regierungspräsenz hat man nicht alle Tage, insofern erschien einigen Beobachtern die vornehme Zurückhaltung der CFP-Organisatoren erklärlich.

Stewart Baker bedankte sich in seiner Rede auf seine Weise für die respektvolle Distanz, indem er sich ganz auf die Herausforderungen des US-amerikanischen Ministeriums für innere Sicherheit im Zusammenhang mit den Wirbelstürmen Katarina und Rita konzentrierte. Er verlor kein Wort über den Kampf gegen den Terrorismus. Die oberste Mission des DHS sei es, betonte Baker, die US-Bürger zu befähigen, in schwierigen Situationen für sich selbst zu sorgen. Man sei erst am Anfang bei der Spezifizierung so genannter "enabling strategies", aber wenn alle mitspielen, sei das eine gute Sache. Regierung und Bürger müssten an einem Strang ziehen, dann ließen sich auch schwierige Herausforderungen meistern. Baker, der Anfang der 90er-Jahre drei Jahre bei der "National Security Agency" (NSA) gearbeitet hatte, lies sich auch durch irritierende Fragen nicht aus dem Konzept bringen. Schließlich dürfe man nicht das Wesentliche aus dem Auge verlieren. Es gehe immerhin um nicht weniger als um Amerika.

Eine kritische Stimme meldete sich dann doch noch zu Wort, wenn auch virtuell und online aus London. John Twelve Hawks, Autor des Buches "The Traveler", der in seinen Publikationen die Schreckensvision des "elektronischen Gefängnisses" beschreibt, warf dem "amerikanischen Volk" vor, sich schweigend einer Auslöschung ihrer Bürgerrechte zu fügen. "They sit at home and vote on their touchtone phones for the new American Idol [der US-Ausgabe der Casting-Show, die in Deutschland als "Deutschland sucht den Supertstar“ bekannt ist, Anm. d. Red.] while slowly, quietly, their life changes forever", schrieb Hawks an die Teilmehmer der CFP 2006 und rief sie auf, Alarm zu schlagen: "Make some noise" waren seine letzten Worte, bevor die Leitung nach London kollabierte.

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(Wolfgang Kleinwächter) / (jk)