Weg frei für Regulierungsferien beim VDSL-Netz der Telekom

Der Wirtschaftsausschuss des Bundestags hat die Änderungsanträge der großen Koalition am Telekommunikationsgesetz angenommen, wonach "neue Märkte" grundsätzlich nicht der Regulierung unterliegen sollen.

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Der Wirtschaftsausschuss des Bundestags hat in seiner Sitzung am heutigen Mittwoch mit schwarz-roter Mehrheit Änderungsanträge der großen Koalition am Telekommunikationsgesetz (TKG) angenommen. Gemäß dem neuen Paragraph 9a sollen "neue Märkte" damit grundsätzlich nicht der Regulierung unterliegen. Nur wenn "Tatsachen die Annahme rechtfertigen", dass bei fehlender staatlicher Kontrolle "die Entwicklung eines nachhaltig wettbwerbsorientierten Marktes im Bereich der Telekommunikationsdienste oder -netze langfristig behindert wird", soll die Bundesnetzagentur einschreiten. Dabei soll sie "insbesondere das Ziel der Förderung von effizienten Infrastrukturinvestitionen und die Unterstützung von Innovationen" berücksichtigen.
Die große Koalition kommt mit der Regelung, die nach der Entscheidung im Wirtschaftsausschuss nun bereits am morgigen Donnerstag vom gesamten Parlament verabschiedet werden soll, gemäß einer bereits vergangene Woche erfolgten Einigung einem alten Wunsch der Deutschen Telekom nach. Diese hatte sich frühzeitig im vergangenen Jahr an die Bundesregierung mit der Bitte gewandt, die rund 3 Milliarden Euro Investitionen für ihr geplantes VDSL-Netz vor Mitnutzungsauflagen für die Konkurrenz zu schützen. Prompt gelobte Schwarz-Rot im Koalitionsvertrag, diesem Begehr Folge leisten zu wollen. Der später vorgelegte Regierungsvorschlag zur Festschreibung der "Regulierungsferien" in der TKG-Änderung wird mit dem Votum des Wirtschaftsausschusses nun nur noch "klarer strukturiert", wie es in der Begründung der Änderungsanträge der Koalition heißt.
Die Freistellung lehnt sich demnach nun "sehr eng an Vorgaben der EU-Kommission" an, die sich allerdings wiederholt vehement gegen die Klausel ausgesprochen und mit Klage wegen Verletzung des EU-Vertrags gedroht hat. Im Übrigen stimme die Formulierung auch mit den Vorschlägen der Monopolkommission überein. Diese habe es jüngst für wenig umstritten erklärt, dass "neue Märkte zunächst von der Regulierung befreit sein sollten, damit Anreize für die Entwicklung neuer Produkte und Dienste erhalten bleiben". Die Koalition verteidigt die Regulierungsausnahme weiter mit dem Argument, dass die damit einhergehende "temporäre Möglichkeit übernormaler Gewinne letztlich auch zu einem Zusatznutzen der Verbraucher führt und weder aus wettbewerbspolitischer noch aus gesamtwirtschaftlicher Sicht bedenklich ist". Bestünde aber die Gefahr einer Verfestigung der Monopole, "besteht eindeutig Bedarf für regulatorische Eingriffe".
Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Verbands der Telekom-Herausforderer VATM, kritisiert die entscheidende Weichenstellung im Wirtschaftsausschuss stark: "Statt zu mehr Planungssicherheit führt der Gesetzentwurf für den gesamten Markt, mithin auch für die Deutsche Telekom, zu enormer Rechtsunsicherheit." Absolut unklar bleibe, unter welchen Voraussetzungen künftig reguliert werden solle. Der Gesetzentwurf lässt nach Grützners Ansicht nicht nur "jede wettbewerbsorientierte ordnungspolitische Linie vermissen", sondern weise nun nach Abschluss aller Beratungen und Expertenrunden auch noch gravierende Mängel auf. So gebe es etwa Widersprüche zwischen dem Gesetzeswortlaut und der Begründung zur Definition "neue Märkte". Gerichtliche Auseinandersetzungen seien damit vorprogrammiert.
Ironischerweise könnte sich die umstrittene Gesetzesänderung schier als unnötig herausstellen. Einige Analysten bezweifeln laut einem Bericht der Financial Times Deutschland, ob der Rosa Riese sein geplantes, VDSL-Anschlüsse beim Endkunden mit bis zu 50 Mb/s ermöglichendes Glasfasernetz angesichts enormen Spardrucks überhaupt wie geplant bauen wird. Der inzwischen geschasste Ex-Konzernchef Kai-Uwe Ricke hätte Börsengroßanlegern zuletzt versprochen, nochmals knapp fünf Milliarden Euro weniger auszugeben. Marktbeobachter von der Hypo-Vereinsbank hätten deshalb die Prognosen für VDSL-Investitionen für 2007 und Folgejahre reduziert. Der neue, aus dem Mobilfunkbereich kommende Telekom-Chef René Obermann habe zudem wenig Interesse an VDSL und dem Verbuddeln von Milliarden ins Festnetz. Die großen grauen Kabelkästen, welche der Altmonopolist momentan in einzelnen Großstädten für VDSL ins Stadtbild stellt und die von Konkurrenten als "Trabbi-Garagen" verhöhnt werden, könnten daher ein seltener Anblick bleiben.
Gemäß Empfehlungen von Experten bei einer Anhörung zur TKG-Änderung hat der Wirtschaftsausschuss ferner einheitlichere Anzeigepflichten für den Preis von Telekommunikationsdienstleistungen beschlossen. Er muss zukünftig deutlich lesbar dargestellt und für Premium-SMS ab 2 Euro auch bestätigt werden. Für die Preisansagepflicht ist für Festnetz und Mobilfunk eine Preisobergrenze für 3 Euro pro Minute festgesetzt worden. Weiteren Forderungen von Verbraucherschützern wie zu einer Ansagepflicht bei "Call by Call"-Gesprächen will Schwarz-Rot nicht nachkommen. Der Gesetzesentwurf dürfte morgen erwartungsgemäß in 2. und 3. Lesung vom Bundesratsplenum verabschiedet werden. Danach haben die Länder über den Bundesrat noch ein Wörtchen mitzureden.
Zur Novellierung des Telekommunikationsgesetzes, der Auseinandersetzung um die Telekommunikationsregulierung und das geplante VDSL-Netz der Deutschen Telekom siehe auch: