Ex-Justizministerin: Es gibt kein Grundrecht auf Sicherheit

Die FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zeigt sich besorgt über die Infragestellung grundlegender Verfassungswerte bei der Terrorismusbekämpfung und die um sich greifende "präventive Funktionslogik".

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Die FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist besorgt über die Infragestellung grundlegender Verfassungswerte bei der Terrorismusbekämpfung. Tendenzen zum Angriff auf die Pfeiler des freiheitlichen Rechtsstaates sieht sie hauptsächlich in Versuchen zur Gefahrenabwehr mit einer "präventiven Funktionslogik" etwa in Polizeigesetzen der Länder, im Rahmen der ernsthaft geführten Debatte über eine Aufweichung des Folterverbots sowie der Sicherheitshaft für potenzielle Attentäter ohne konkreten Tatbezug. Auch die Neigung zur Vermischung der Arbeitsmethoden von Polizei und Nachrichtendiensten hält die ehemalige Bundesjustizministerin "für gefährlich und falsch". Selbstverständlich sei der Schutz von Leib und Leben der Bürger "Teil der staatlichen Verantwortung", erklärte die Bundestagsabgeordnete am heutigen Donnerstag auf dem Symposium "Countering Modern Terrorism" in Berlin. "Aber daraus kann nicht ein Grundrecht des Bürgers auf Sicherheit abgeleitet werden."

Der Argumentation von Innenpolitikern, wonach die Sicherheit die Bedingung für die Freiheit ist, schloss sich Leutheusser-Schnarrenberger nur sehr bedingt an. Sie pocht auf einen Abwägungsprozess, der beide Werte miteinander austariert. Denn selbst ein Staat, der die freiheitlichen Grundrechte "bis zur Unkenntlichkeit" aushöhle, "könnte eine absolute Sicherheit nicht gewähren". Ihr erscheint es daher unverständlich, dass trotz der entgegen laufenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts "immer intensivere Eingriffe in die Freiheit aller ganz selbstverständlich in Kauf genommen" würden. Der Terrorismus könnte nur an seinen Wurzeln mit rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft werden, hielt sich die Liberale an Ex-Bundespräsident Walter Scheel. Dazu müssten aber seine Ursachen bekannt sein.

Trotz der Einschätzungen des Bundeskriminalamts und der Nachrichtendienste, dass Deutschland "Ruhe- und Vorbereitungsraum" sowie potenzielles Anschlagsziel islamistischer Terroristen sei, hält Leutheusser-Schnarrenberger wenig von Panikmache. "Die Bedrohungslage ist alles andere als eindeutig", sagte sie. Dass man Antworten darauf auch mit den Mitteln des Rechtsstaates finden könne, hätte die Verhinderung geplanter Attentate hierzulande bereits gezeigt.

Im Publikum, in dem sich zahlreiche Vertreter der Sicherheitsbehörden sowie Innenpolitiker befanden, löste der Ansatz der FDP-Politikerin sehr gemischte Reaktionen aus. Deutschland übe inzwischen einen "Sogeffekt" auf Terroristen aus, beklagte ein Mitglied der Innenministerkonferenz. Wenn es schon kein Grundrecht auf Sicherheit gäbe, dann doch zumindest ein "Grundbedürfnis" danach, monierte zudem ein Abgesandter der Bundeswehr. Und dieses treibe anscheinend immer mehr Bürger in die Arme rechter Parteien, was eine viel größere Bedrohung des Rechtsstaates darstelle. Auf der Konferenz, auf der Experten auch noch am morgigen Freitag über Themen wie die Machtressourcen von al-Qaida, Strategieverluste durch Network Centric Warfare sowie die Nutzung des Internet durch Terroristen sprechen, mangelte es jedenfalls nicht an Warnungen vor einem Kulturkrieg von Islamisten gegen den Rest der Welt. (Stefan Krempl) / (jk)