Undurchsichtiges Geschiebe

Eine Studie zeigt, dass die personalisierte Suche von Google selten wirklich neue Inhalte zutage fördert, sondern nur die Reihenfolge der Topergebnisse ändert – dies aber womöglich anhand von Informationen, die mit der Suchgeschichte eines Nutzers nichts zu tun haben.

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Von
  • Erica Naone

Eine Studie zeigt, dass die personalisierte Suche von Google selten wirklich neue Inhalte zutage fördert, sondern nur die Reihenfolge der Topergebnisse ändert – dies aber womöglich anhand von Informationen, die mit der Suchgeschichte eines Nutzers nichts zu tun haben.

Wenn verschiedene Personen im Web googeln, sehen sie nicht dasselbe. Denn die Suchmaschine Nr. 1 speichert von eingeloggten Nutzern Daten über vorangegangene Suchen, die bei neuen Abfragen mit ausgewertet werden. Damit sollen die Ergebnisse noch besser auf die jeweilige Person zugeschnitten sein. So weit das Konzept – eine kürzlich im Online-Journal First Monday veröffentlichte Studie stellt den Nutzen dieser personalisierten Suche allerdings nun in Frage:„Letztlich muss man feststellen, dass sich dies nicht auszahlt“, sagt Martin Feuz vom Centre for Cultural Studies an der University of London. „Wir geben zu viele persönliche Informationen preis, ohne qualitativ hochwertige Suchergebnisse zu bekommen.“

Für die Studie legten er, sein Kollege Matthew Fuller sowie Felix Stalder, Netztheoretiker an der Zürcher Hochschule der Künste, zunächst fiktive Google-Konten an – und zwar für niemand Geringeres als die Philosophen Kant, Nietzsche und Foucault. Dann bauten sie für jeden der drei langsam eine individuelle Suchgeschichte auf, indem sie Begriffe aus deren jeweiligen Werken eingaben. Diese Profile entsprächen zwar nicht gerade dem Durchschnittsnutzer, räumt Feuz ein, lieferten aber dennoch Einblicke in die Funktionsweise der personalisierten Google-Suche.

Mit jedem der drei Profile führten die Wissenschaftler nun Testsuchen durch. Dabei verwendeten sie drei Gruppen von Begriffen: Interessen, die die Philosophen gemeinsam hatten; populäre Schlagwörter aus dem Bookmark-Dienst Delicous; und drittens aus verschiedenen Büchern zusammengetragene Formulierungen. Die Testsuchen mit den Philosophen-Accounts verglichen sie anschließend mit identischen Suchabfragen, die jedoch anonym durchgeführt wurden.

Die personalisierten Suchergebnisse unterschieden sich von denen der anonymen Suche zum Teil erheblich: in einem Fall waren sechs der zehn ersten Treffer anders. Interessanter ist jedoch, dass diese Änderungen kaum neue Inhalte zutage förderten. 37 Prozent der Suchtreffer wanderten lediglich von der zweiten auf die erste Seite, rutschten also im Ranking nach oben. Nur 13 Prozent der personalisierten Ergebnisse stammten nicht aus den ersten 1000 Treffern, die eine anonymisierte Suche zutage fördert.

Die drei Forscher stellten zudem fest, dass Google auch dann personalisierte Ergebnisse ausspuckte, wenn zwischen dem Suchbegriff und der Suchgeschichte des angemeldeten Nutzers kein inhaltlicher Zusammenhang bestand. Sie schließen daraus, dass Google möglicherweise Nutzern demographischen Kategorien zuordnet und anhand derer die Ergebnisse ändert. Es beunruhige ihn, dass Google Informationen ändere, ohne dies für die Nutzer transparent zu machen, sagt Feuz.

Für Ethan Zuckerman vom Berkman Center for Internet and Society an der Harvard University liefert die Arbeit nützliche empirische Hinweise in die Personalisierungsverfahren von Google. Dass das Unternehmen seine Suchalgorithmen nicht offenlege, liege daran, dass ein ganzer Industriezweig damit beschäftigt sei, zu Suchbegriffen passende Online-Anzeigen zu schalten, sagt Zuckerman.

Auch er ist nicht glücklich damit, dass Google dem Normalnutzer nicht darlegt, wie die Verarbeitung von dessen Abfragen verändert wird. Er hält es sogar für möglich, dass die Algorithmen noch während der Studie der drei Wissenschaftler an deren Testsuchen angepasst wurden. „Wenn wir die Personalisierung analysieren, untersuchen wir etwas zutiefst Instabiles“, meint Zuckerman.

„Das große Problem ist, dass Google so viel Ballast um seine Algorithmen aufgebaut hat“, sagt David Schairer, Mitgründer von TrapIt. Das Start-up will mit Hilfe von Künstliche-Intelligenz-Verfahren dazu beitragen, relevantere Informationen im Netz zu finden. Ob jemand traditionelle Suchalgorithmen anwende oder die sozialen Netzwerke eines Users – in Form eines mathematischen Graphen – anzapfe, um Ergebnisse zu personalisieren: „Populäre oder höher bewertete Inhalte tendieren dazu, zum Selbstläufer zu werden“, sagt Schairer. Deshalb würden schwer zugängliche, aber hochwertige Inhalte selten an die Spitze gelangen.

Mit seiner personalisierten Suche versucht Google seit einiger Zeit, seinen Dienst mehr in Richtung „Social Search“ zu bewegen. Erst vor zehn Tagen hat der Konzern „+1“ vorgestellt. Das Äquivalent zum „Like“-Button von Facebook soll signalisieren, dass anderen Nutzern etwas gut gefällt. „Wenn jemand aus meinem sozialen Netzwerk etwas mit +1 bewertet, erleichtert das Google die Entscheidung, bei meinen Suchen das entsprechende Dokument von einem Rang jenseits der 100 in die ersten zehn Plätze zu befördern“, sagt Martin Feuz.

Er wünscht sich, dass Google den Nutzern die Möglichkeit gibt, zwischen anonymen Standard- und personalisierten Suchergebnissen hin und her zu schalten. Dann könnten die Nutzer selbst sehen, wie die Algorithmen sich auf die Sichtbarkeit von Informationen auswirken.

Die Studie:
Martin Feuz, Matthew Fuller, Felix Stalder: „Personal Web searching in the age of semantic capitalism: Diagnosing the mechanics of personalisation“, First Monday, Volume 16, Number 2, 7.2.2011 (nbo)