Die geheimnisvolle iPhone-Energie

Manchmal berühren Apple-Geräte Grenzgebiete zwischen Wissenschaft und Wunderlichkeit – etwa, wenn es um rätselhafte Resonanzen geht.

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Von
  • Peter Glaser

Boris Veldhuijzen van Zanten ist ein beschäftigter Mann. Er hat Webkonferenzen, Blogs und Netz-Startups ins Leben gerufen und nennt sich selbst einen "Internet-Serienunternehmer". Manchmal nimmt er sich trotzdem Zeit und geht gut essen, neulich etwa in das Amsterdamer Restaurant Pasta e Basta, das für seine singenden Kellner bekannt ist. Da er nicht reserviert hatte, musste er erst mal an der Bar Platz nehmen. Worauf der Barmann ihm einen Prosecco brachte – "geht aufs Haus". Veldhuijzen van Zanten wollte seinen angenehmen Eindruck twittern, aber das Lokal liegt von dicken Fundamenten umgeben im Souterrain und sein iPhone hatte keinen Empfang. Der freundliche Barmann fragte, ob er ein Glas wolle. Nein, nicht noch mal Prosecco. Ein leeres Glas. Die bemerkenswerte Beobachtung lief schon vor vier Wochen durchs Netz: Einer der Kellner hatte vor einiger Zeit herausgefunden, dass iPhones wesentlich besseren Empfang hätten, wenn man sie in ein Glas stellt. Veldhuijzen van Zanten stellte sein iPhone in das Glas. Der Signalbalken schlug aus.

Stellt man ein iPhone in ein leeres Glas, hat es besseren Empfang

Nun kann man mit einem Smartphone, das in einem Glas steht, nicht gut telefonieren. Die Situation erinnert an eine Schlüsselszene in dem Film "Solo für zwei", in dem Steve Martin den Anwalt Roger Cobb spielt, der eine Millionärin davon abbringen soll, ihre Seele durch einen tibetischen Lama in ein junges Mädchen übertragen zu lassen (nebst testamentarischer Mitübertragung ihres Vermögens). Während einer turbulenten Suche beugt sich Cobb, in der Meinung, die Seele sei darin gelandet, über einen Eimer mit Wasser und führt ein längeres Gespräch mit ihm, das in einer reflexhaften Erkenntnis endet: "Ich rede mit einem Eimer!"

Veldhuijzen van Zanten gelang es, von dem iPhone in dem Glas aus ein paar Tweets abzusetzen. Das Ganze erinnert auch an früher, ich meine: an ganz früher, als auf dicken Kathodenstrahlfernsehapparaten noch Zimmerantennen standen, die aussahen wie riesige Libellenflügel. War der Empfang schlecht, trug einer die Zimmerantenne durchs Zimmer, der andere wies ihn ein, und bei "So ists wunderbar, bleib so" befand man sich meist in einer völlig verbogenen Position, die nicht zu halten war.

Geheimnisvolles Grenzgebiet zwischen Wissenschaft und Wunderlichkeit: die Pyramidenenergie

(Bild: Cornell University Library)

Das iPhone im Glas berührt auch ein geheimnisvolles Grenzgebiet zwischen Wissenschaft und Wunderlichkeit. Warum nimmt die Signalstärke zu, wenn man ein iPhone in ein leeres Glas stellt? Resonanz. Schon mal was von Pyramidenenergie gehört? Also. Während eines Aufenthalts in Kairo in den 1930er Jahren fand der französische Wünschelrutengänger André Bovis angeblich im Inneren der Cheopspyramie tote Tiere, die nicht verwest waren. Er schloss daraus, das Bauwerk habe bewirkt, dass die Körper erhalten blieben und begann mit Pyramidenmodellen und toten Katzen zu experimentieren. (In einer Biografie räumte Bovis später ein, nie in Ägypten gewesen zu sein).

1949 fielen Bovis' Aufzeichnungen dem tschechischen Radiotechniker Karel Drbal in die Hände, der sich für ungewöhnliche Resonanzphänomene interessierte. Drbal kannte auch den – wie sich später herausstellte scherzhaften – Leserbrief, den ein gewisser Colonel Musselwhite 1939 an die Times geschrieben hatte. Er behauptete darin, stumpfe Rasierklingen würden durch das Magnetfeld der Erde wieder geschärft, wenn man sie entlang der magnetischen Feldlinien ausrichtet. 1957 meldete Drbal eine Methode zur Schärfung von Rasierklingen unter einem Pyramidenmodell zum Patent an, deren US-Nutzungsrechte von dem amerikanischen Parapsychologen Max Toth gekauft wurden, der wiederum Eric McLuhan für die Idee begeisterte – den Sohn von Marshall McLuhan, von dem der Begriff "Das globale Dorf" stammt und der von vielen Apple-Mitarbeitern als Medienprophet verehrt wird. Eric McLuhan experimentierte mit Hamburgerstückchen unter Pyramiden.

Da Esoterik für Wissenschaftler nicht wirklich attraktiv ist, dauerte es lange, ehe sich jemand bereit fand zu erläutern, dass die beiden scheinbar so unterschiedlichen Phänomene – getrocknetes Fleisch und geschärfte Rasierklinge – dieselbe Ursache haben: Dehydration. Auch der Eindruck, dass eine Rasierklinge stumpf wird, beruht nicht auf mechanischer Abnutzung, sondern darauf, dass in die schmale Molekülschar der Klinge mit der Zeit Wassermoleküle eindrigen und sie aufquellen lassen. Entzieht man der Klinge das Wasser, wird sie wieder scharf.

Für eine durch die Pyramidenform begünstigte Entwässerung gibt es auch nach jahrzehntelangem Herumexperimentieren keine stichhaltigen Beweise. Vielleicht sollte man das Ganze einfach mal systematisch angehen – so wie es der Barmann im Pasta e Basta macht. Als er dem erstaunten Boris Veldhuijzen van Zanten das leere Glas für sein iPhone hinstellte, wies er auf eine Reihe von Mobiltelefonen auf der Bar. Alle steckten in Gläsern.

PS: Ein dickwandiges Glas, in das man sein iPhone stellt, lässt sich auch als formidabler Verstärker für den iPhone-Lautsprecher zweckentfremden – es bringt deutlich mehr Bässe und Lautstärke. (se)