Justizministerin: "Sicherheitspolitiker beschleicht Angst vor Kontrollverlust"

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat Bestrebungen, die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen oder Sperrinfrastrukturen im Web aufzubauen, als "verzweifelte Versuche" politischer Besitzstandswahrung bezeichnet, die "Scheinsicherheit" suggerierten.

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Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat Bestrebungen, die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen oder Sperrinfrastrukturen im Web aufzubauen, als "verzweifelte Versuche" der politischen Besitzstandswahrung bezeichnet. Dabei gehe es darum, "den gewohnten Souveränitätsanspruch des Staates aufrechtzuerhalten", sagte die FDP-Politikerin am gestrigen Dienstag in Berlin auf einer Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung zur "Rechtsetzung und Rechtsdurchsetzung" im Internet. Sicherheitspolitiker beschleiche angesichts der digitalen Revolution "die Angst vor dem Kontrollverlust", konstatierte die Liberale. Daher bemühten sie sich, mit Überwachungsprojekten "Scheinsicherheit" zu suggerieren. Gleichzeitig würden die Freiheitsrechte über Bord geworfen.

Die Politik muss nach Ansicht der Ministerin akzeptieren, dass eine freie Entfaltung der technischen Möglichkeiten des Netzes überwiegend Chancen bietet. Diese dürften nicht durch "ängstliche Überregulierung stranguliert werden". Eine "abschließende Regulierung" der digitalen Welt sei "nicht leistbar". Auch wer das analoge Recht auf den Cyberspace komplett übertragen wolle, würde digitale Freiheiten künstlich beschränken und in Nutzerrechte eingreifen. Grenzen, die in der digitalen Welt nicht mehr bestehen, dürften nicht nachträglich "als künstliche, rechtliche oder technische Barrieren" erneut aufgebaut werden.

Als "Beispiel der Endlichkeit staatlicher Einflussnahme" bezeichnete Leutheusser-Schnarrenberger die Möglichkeit zur Durchsetzung von Urheberrechten im Internet. Der französische Weg der abgestuften Erwiderung auf Copyrightverletzungen, der bis hin zur Kappung von Netzanschlüssen reicht, ist ihrer Ansicht nach "nicht gangbar". "Internetsperren sind ein grundwegs falsches Mittel, um Rechtsverletzungen im Internet zu verfolgen", baute die Liberale ihre Kritik an einem "Three Strikes"-Szenario aus. Eine "Abschaltung" des Netzzugangs komme dem "Verlust der digitalen Staatsbürgerschaft" gleich. "Die ins Offline Gestoßenen verlieren elementare Teilhaberechte", betonte die Ministerin. Generell dürfe die Absicherung des Anspruchs auf Rechtsdurchsetzung die freie Entwicklung des Internets "nicht übermäßig stark behindern". Das Urheberrecht sei auch nicht dazu da, "antiquierte Geschäftsmodelle zu schützen". (jk)