Vor 30 Jahren: Die PC-Revolution nimmt ihren Lauf

Stimmen die Angaben der Jäger des verlorenen Wissens, so wurde heute vor 30 Jahren der erste Bausatz eines Altair 8800 der Firma MITS (Micro Instrumentation Telemetry Systems) ausgeliefert.

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Von
  • Detlef Borchers

Stimmen die Angaben der Jäger des verlorenen Wissens, so wurde heute vor 30 Jahren der erste Bausatz eines Altair 8800 der Firma MITS (Micro Instrumentation Telemetry Systems) ausgeliefert. Während der Ur-Altair auf dem Transport nach New York spurlos verschwand, konnte dieser Altair ausgeliefert und von der Zeitschrift Popular Electronics in ihrer Januar-Ausgabe vorgestellt werden. Der Artikel bewegte zahlreiche Computer-Enthusiasten, sich einen solchen Bausatz zuzulegen. Als Microsoft-Mitgründer Paul Allen in Boston über den Harvard Square lief und die Zeitschrift entdeckte, lief er den "Lauf seines Lebens" (so Allen später), um Bill Gates zu alarmieren. Noch am selben Tag telefonierten beide dem MITS-Inhaber Ed Roberts hinterher, um ihm ein BASIC für den Altair 8800 anzubieten. Dass dieses BASIC gar nicht existierte, mithin Vaporware war, störte die beiden ebensowenig wie Ed Roberts. Schließlich war sein Altair-Bausatz ebenfalls unvollständig. Die PC-Industrie aber mit all ihren großartigen Versprechungen war damit auf den Weg gebracht.

Der Altair 8800 war nicht der erste PC im engeren Sinne. Diese Ehre gebührt dem französischen Micral, der jedoch in Amerika unbekannt war. Der Altair 8800 entstand als Reaktion auf eine Artikelserie der Zeitschrift Radio Electronics, mit der die Leser einen Computer namens Mark-8 zusammenbauen konnten. Die Serie hatte den Schönheitsfehler, den Zusammenbau von Teilen zu beschreiben, die es damals praktisch nirgendwo zu kaufen gab. Die Konkurrenz von Popular Electronics wollte es besser machen und eine Computerbastelei vorstellen, zu der der komplette Bausatz gekauft werden konnte. Der Altair 8800 wurde für 397 Dollar angeboten, was die Fachwelt in Erstaunen setzte. Allein der 8080-Prozessor von Intel kostete damals 360 Dollar. Er wurde als Bulkware zum Preis von 75 Dollar von Ed Roberts eingekauft und selbstbewusst beworben: "The age of the affordable Computer" sei angebrochen. David Bunnell, der bei MITS die Bauanleitung für den Altair 8800 schrieb, wollte die Maschine in Anlehnung an Orwells 1984 "Little Brother" nennen. Der Computer des kleinen Mannes sollte gegen die Mainframes antreten, die die Welt in Datensammlungen verwandelten. Der Legende nach fragte Ed Roberts seine Tochter, wie der Computer im Raumschiff Enterprise heißt. Er hatte keinen Namen, doch die Crew flog damals gerade zum Altair.

Die historische Bedeutung des Altair liegt nicht in seinem Aufbau begründet, sondern in der Tatsache, dass er mit einem Bus-System ausgeliefert wurde. Dieser Altair-Bus hatte 100 Kanäle und wurde bald unter dem Namen S-100 bekannt. Als IEEE 696 brachte er es in den späten 80ern sogar noch zum Standard. Mit solch einem standardisierten Computerbus begann das Zeitalter der Steckkarten, mit denen ein Computer fast nach Belieben ausgebaut werden kann. Bis der IBM-PC den Massenmarkt kreierte (und das Bus-System auf seine Weise übernahm), wurden etwa 200.000 Rechner auf der Basis des S-100 gebaut. Ed Roberts selbst glaubte, 800 Altair verkaufen zu können. Seine Bank gab dem gerade Pleite gegangenen MITS-Chef das Kapital, 200 Rechner auszuliefern; es wurden dann aber weit mehr, als sich Roberts je hätte träumen lassen. Am Ende war Roberts vermögend genug, seinen Lebenstraum verwirklichen zu können: Er studierte und wurde Landarzt. (Detlef Borchers) / (jk)