US-Handelsministerium übernimmt direkte Aufsichtsrolle bei .com

In einer überraschenden Wendung behält sich das US-Handelsministerium, das die Oberaufsicht über die DNS-Rootzone ausübt, nun auch die einzelne Genehmigung von Aktivitäten der .com-Registry vor, die sich aus dem neuen Registry-Vertrag mit ICANN ergeben.

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Von
  • Monika Ermert

Das US-Handelsministerium (US Department of Commerce, DoC) stimmte dem umstrittenen neuen Vertrag zwischen der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) und der .com-Registry VeriSign zu. Der Vertrag sichert dem Ex-Monopolisten den Betrieb der Domain-Datenbank für Domain-Registrierungen in der größten Top Level Domain .com bis ins Jahr 2012 zu.

Allerdings hat die zuständige National Telecommunications and Information Administration (NTIA) des Handelsministeriums mit Blick auf zwei der umstrittensten Vereinbarungen in dem Vertrag die Notbremse gezogen: Bei den möglichen Preiserhöhungen und bei der vorgesehenen automatischen Verlängerung des Vertrags nach dem Jahr 2012 hat künftig nicht mehr die Internet-Verwaltung ICANN, sondern die US-Regierungsbehörde das letzte Wort. Das US-Handelsministerium hat grundsätzlich die Oberaufsicht über die DNS-Rootzone und will diese auch in Zukunft beibehalten. Für die Ausgestaltung der Domain-Politik und die einzelnen Verträge mit den Betreibern der Registries von Top Level Domains ist aber auch nach dem Verständnis der US-Regierung eigentlich die ICANN zuständig.

Zwar hat das DoC auf eine Änderung des von ICANN vorgelegten und immer wieder heftig kritisierten Vertrages verzichtet, der VeriSign Preiserhöhungen von sieben Prozent jährlich erlaubt und eine automatische Verlängerung vorsieht. Geändert haben die Beamten aber Abschnitt 30 ihres eigenen Vertrages mit VeriSign. Will VeriSign den Preis erhöhen, hat es dies künftig direkt gegenüber der NTIA zu begründen. "Das Zustimmung des Ministeriums für eine Erneuerung oder Änderung hängt davon ab, ob es zu dem Schluss gelangt, dass dies im öffentlichen Interesse an der fortgesetzten Sicherheit und Stabilität des Domain Name System und des Betriebs der .com-Registry ist und dass die Registrydienste zu einem angemessenen Preis, angemessenen Bestimmungen und Bedingungen angeboten werden." Das Ministerium behalte sich vor, klare Auskünfte zu Preisen und zur Sicherung des Wettbewerbs zu fordern.

In gleicher Weise soll auch in Fragen technischer Neuerungen im Registry-Betrieb und für die automatische Verlängerung des Vertrags das DoC das letzte Wort haben. Bei technischen Neuerungen prüft das DoC demnach Sicherheitsaspekte, aber auch die Einhaltung vereinbarter Standards und innerhalb der ICANN im Konsens aller Beteiligten gefasster Entscheidungen. Schließlich entscheidet das Ministerium am Ende, ob VeriSigns Vertrag verlängert wird – ohne Zustimmung der US-Verwaltung geht es danach nicht. Als Konsequenz ergibt sich in den von der NTIA vorgelegten Regelungen: "Wenn das Ministerium die Verlängerung oder Ablösung des Vertrags nicht bewilligt, ist VeriSign an die vertraglichen Bedingungen des 'Gemeinsamen Abkommens' gebunden, das dem Ministerium die Möglichkeit gibt, den Betrieb der .com-Registry auszuschreiben."

Die Entscheidung des DoC ist eine Antwort auf die massive Kritik, gerade aus Kreisen internationaler und US-amerikanischer Registrarunternehmen (also der Domain-Registrierungsdienstleister für Endverbraucher und Unternehmen). Insgesamt neun Monate haben man intensiv mit allen Seiten beraten, schreibt das DoC, unter anderem auch mit den Wettbewerbshütern in den USA. Gegen Wettbewerbsklagen sei VeriSign durch die grundsätzliche Zustimmung zum Vertrag mit der ICANN im übrigen nicht geschützt, hielt das DoC zur Sicherheit ebenfalls fest. Zwei Anhörungen im US-Kongress hatten sich mit den von den Registraren ins Feld geführten möglichen Wettbewerbsverzerrungen beschäftigt. ICANN hatte die gemachten Konzessionen vor allem mit dem Hinweis auf die Beilegung des teuren Rechtsstreits mit VeriSign und das oberste Gebot "DNS-Stabilität" gerechtfertigt.

ICANNs von vielen bemängelte Schwäche, die Vielfalt der Interessen gegenüber VeriSign, die durch Kauf des Ex-Domainmonopolisten Network Solutions und den späteren Weiterverkauf der Registrarsparte in den Besitz der .com-Registry gekommen war, durchzusetzen, hat jetzt dazu geführt, dass die US-Politik selbst wieder stärker in die Aufsichtsrolle geschlüpft ist. Statt der ICANN überprüft nun das DoC, ob VeriSign eine Verlängerung verdient – und zwar auf der Basis des öffentlichen Interesses. Heftige Diskussionen darüber, inwieweit damit auch dem öffentlichen Interesse der internationalen Gemeinschaft gedient ist oder ob es eben doch nur um das öffentliche Interesse in den USA geht, erwartet beispielsweise ICANN-Experte und US-Jurist Bret Fausett. Spannend bleibt es angesichts dieser Entscheidung auch für die neuen Registry-Verträge zwischen ICANN und den Registry-Betreibern von .biz, .info und .org. Diese hatten sich nach dem .com-Deal zwischen ICANN und VeriSign ebenso gute Bedingungen ausgebeten. Die Verabschiedung dieser Verträge wurde vergangene Woche vom ICANN-Vorstand erst einmal vertagt. (Monika Ermert) / (jk)