EU-Kommission gibt Studie zur Netzneutralität in Auftrag

Die Brüsseler Regierungseinrichtung hat eine Mitteilung zur Gewährleistung des offenen Internets veröffentlicht, in der sie zusätzliche Regulierungsmaßnahmen erwägt. Zunächst sollen aber die Transparenzvorschriften aus dem Telecom-Paket greifen.

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Die EU-Kommission hat eine Mitteilung (PDF-Datei) zum offenen Internet veröffentlicht, in der sie zusätzliche Regulierungsmaßnahmen zur Gewährleistung der Netzneutralität ins Spiel bringt. Sollten sich Hinweise auf bedeutsame und andauernde Probleme in diesem Bereich erhärten und der Markt mit seinen unterschiedlichen Providern keinen einfachen Zugang der Nutzer zu Inhalten, Diensten und Applikationen ihrer Wahl über einen einzelnen Internetanschluss sicherstellen, werde man "stringentere Maßnahmen" zur Stärkung des Wettbewerbs und der Verbraucherauswahl ins Auge fassen, schreibt die Brüsseler Regierungseinrichtung in dem zehnseitigen Schreiben.

Zunächst hofft die Kommission aber, dass die vergleichsweise schwach ausgefallenen Vorschriften zur Netzneutralität aus dem 2009 überarbeiteten Richtlinienpaket zur Regulierung von Telekommunikationsanbietern greifen. Demnach müssen Netzbetreiber Kunden über eingesetzte Verfahren zum "Verkehrsmanagement" informieren und den Anbieterwechsel erleichtern. Vor zu starken Begrenzungen einzelner Dienste wie Filesharing oder Internet-Telefonie soll vor allem der Markt die Nutzer bewahren. Zusätzlich können die nationalen Regulierer Mindestanforderungen an die zu erbringende Dienstequalität aufstellen, wie es das Umsetzungsvorhaben der Bundesregierung im Rahmen der laufenden Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) vorsieht. Die Bestimmungen zur Netzneutralität aus dem Telecom-Paket treten gemäß der Mitteilung am 25. Mai endgültig in Kraft.

Die Kommission berichtet in dem Papier über Beschwerden von Nutzern aus vielen Mitgliedsstaaten, dass Zugangsleistungen zum Internet langsamer seien, als bei Vertragsabschluss angepriesen. Es gebe auch Vorwürfe, dass Anbieter die Datenübertragung im Netz in manchen Fällen gezielt verlangsamten. Die Regierungsinstanz will diese Anschuldigungen nach eigenem Bekunden prüfen und genau darauf achten, ob es generelle Beschränkungen für rechtmäßige Dienste und Anwendungen gibt. Dazu hat sie das Gremium europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (Gerek) gebeten, eine umfassende Studie zu Fragen anzufertigen, die für die Gewährleistung eines offenen und neutralen Internets von entscheidender Bedeutung sind. Die Ergebnisse sollen bis Ende des Jahres veröffentlicht und dabei auch mögliche Fälle von Sperrung oder Drosselung bestimmter Arten des Datenverkehrs berücksichtigt werden. Auf Basis dieser Untersuchung will die Kommission die Notwendigkeit weitergehender Maßnahmen prüfen.

Neelie Kroes, die für die Digitale Agenda zuständige Kommissarin, zeigte sich "fest entschlossen" dafür zu sorgen, dass Bürger und Unternehmen in der EU ein offenes und neutrales Internet nutzen können. Die Mitteilung selbst moniert bereits, dass derzeit manche Anbieter mobiler Internetzugänge "Voice over IP"-Dienste blockieren. Aufgezeigt werden auch Fälle der Ungleichbehandlung von Daten durch bestimmte Betreiber. Damit würde die Qualität von Diensten von Wettbewerbern wie Video-Streaming beeinträchtigt. In vielen Fällen hätten diese Probleme "freiwillig" beziehungsweise nach Intervention nationaler Regulierungsbehörden gelöst werden können. Trotzdem seien weitere Informationen erforderlich, um das genaue Ausmaß des Problems des Sperren oder Drosselns zu ermitteln.

Das Papier betont zugleich die Überzeugung, dass "eine gewisse Datenverkehrssteuerung" erforderlich sei, um ein reibungsloses Funktionieren des Internets sicherzustellen und eine zuverlässig hohe Dienstqualität zu gewährleisten. Es bestehe "breite Übereinstimmung" darin, dass es den Betreibern gestattet sein solle, hier ihre eigenen Geschäftsmodelle und Vereinbarungen festzulegen. Andererseits spricht die Kommission von Bedenken, dass das Verkehrsmanagement missbraucht werden könnte, etwa um einem Dienst gegenüber einem anderen Vorrang zu gewähren. Auch hier müsse die Situation weiter beobachtet werden.

Der FDP-Netzpolitiker Jimmy Schulz begrüßte die Brüsseler Stellungnahme, da sie "Transparenz für Kunden und freien Wettbewerb zwischen Anbietern als besten Garant für die Wahrung eines freien Internets" sehe. Diese Linie werde auch in einem gerade von der FDP-Bundestagsfraktion verabschiedeten "Positionspapier Netzneutralität" (PDF-Datei) verfolgt. Die Liberalen bezeichnen das Prinzip des offenen Internets und die Kommunikationsfreiheit darin als essenzielle Güter der Informationsgesellschaft und als Bürgen für Chancengleichheit im Online-Bereich. Der funktionierende Wettbewerb zwischen den TK-Anbietern habe die Netzneutralität auf deutscher und europäischer Ebene gestützt und gefördert, sodass dieser "vor Regulierung" gehen müsse. (jk)