Internationalisiertes Netz: Domains, Keywords und neue DNS-Roots

Sowohl vollständig internationalisierte Top Level Domains als auch die Einführung von Alias-Systemen für IP-Adressen und DNS-URLs wurden auf einem Treffen der International Telecommunications Union gefordert.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 53 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Monika Ermert

Als neuer Koordinator für nicht-englische Adresszonen im Netz hat sich die Organisation Multilingual Internet Names Consortium (MINC) präsentiert. Anlass war das am gestrigen Dienstag gestartete Symposium der International Telecommunication Union (ITU) und der UNESCO zum "multilingualen Internet". Schon jetzt sei das Internet fragmentiert, weil Nicht-ASCII-Gemeinschaften über Jahre marginalisiert und nicht bedient worden seien, sagte Tan Tin Wee, Mitbegründer von MINC aus Singapur. Als Beispiele führe er die chinesisch- und arabisch-sprachigen Adresszonen einschließlich entsprechender DNS-Rootserver an. "Ihr braucht jemanden, der die wahre Root ist", forderte Tan.

Für den "International Coordination Mechanism Council" (ICMC), der die verschiedenen lokalen Konzepte zulassen soll, hat man allerdings bislang nur wenig Unterstützung, etwa von der ITU. Tan meinte, das ICMC-Konzept sei der Verwaltung durch die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) entgegengesetzt. Es gehe nicht, dass "jemand in dein Land kommt und dir sagt, wie du Internationalisierung im Netz für deine Sprache machen sollst. Es geht dabei um Herrschaftsverhältnisse", betonte Tan.

Tongwoo Kim vom koreanischen Native Language Internet Consortium meinte, der dezentrale Charakter von Keyword-Systemen, die die Auflösung der Adressen von unten nach oben statt von oben nach unten zulassen würden, sei der dezentralen Natur des Internet besser angemessen. Mit solchen Alias-Systemen, die Internet-Adressen wie IP-Nummern oder DNS-URLs über aussagekräftige Schlüssewörter auflösen sollen, ließen sich Adressen vollständiger lokalisieren, ein .kr (in lateinischen Buchstaben) nach der eigentlich koreanisch geschriebenen Netzadresse entfalle dann beispielsweise. In Korea hat das Innenministerium sich überzeugen lassen, inzwischen nutzen Ministerien und lokale Behörden Keywords, um für die Bürger erreichbar zu sein. Laut Tongwoo Kim haben die Behörden inzwischen dreimal so viel Anfragen über den Keyword-Kanal als übers klassische DNS; der neue gewählte Präsident Roh Moo Hyun habe über sein Keyword viermal so viel Anfragen bekommen wie die Konkurrenz. IDN-Experte John Klensin sagte, er sehe die Keyword-Systeme, die mancherorts sehr erfolgreich seien, aufbauend auf ein "gutes, multilinguales DNS". Klensin mahnte zu einer Balance zwischen globalen und lokalen Anforderungen.

Während in Korea Keywords auf dem Vormarsch sind und die chinesische Registrierstelle CNNIC sowohl vollständig internationalisierte Domains wie auch Keywords im Angebot hat, sprachen sich Vertreter der arabischen Welt in Genf für die vollständige Internationalisierung der DNS-Rootzone aus – auch die eigentlichen Top-Level-Domain-Bezeichner wie .com sollen mit nicht-englischen Zeichensätzen möglich werden. Sie wollen als Nächstes eine .arb-TLD bei ICANN beantragen, als eine Art regionaler ASCII-TLD, vergleichbar zu .eu. Unter dem Dach von .arb sollen dann die einzelnen rein arabischen Zonen der Mitgliedsländer der Liga der arabischen Staaten geroutet werden. In diesem Subtree sollen dann sowohl arabische Varianten der bestehenden Länderdomains (ccTLDs wie auch arabische allgemeine Top Level Domains (gTLDs) angesiedelt werden.

"Wir haben vor, die .arb-Zone für die arabische Region zu schaffen, nicht aus politischen Gründen, nicht zu Propagandazwecken oder wegen der Sichtbarkeit, sondern allein technisch motiviert", sagte Ayman El-Sherbiny von der ICT-Abteilung der UN Economic and Social Commission of Western Asia (ESCWA). El-Sharbiny ging nicht weiter darauf ein, ob man die .arb-Domain in dem von ICANN aufgrund des zunehmenden Drucks geplanten Pilotversuch zu internationalisierten Domains starten oder sich direkt um die Zulassung bemühen will. Trotz der Bestrebungen um eine eigene Zone will man auf jeden Fall international erreichbar und daher standardkonform bleiben. Nur, betonte Imad Al-Sabouni, Berater des Kommunikationsministeriums in Syrien: "Wir können auch nicht ewig auf die Realisierung von internationalisierten Domains warten. Wir müssen einen Zahn zulegen." (Monika Ermert) / (jk)