Vorratsdatenspeicherung auch an Universitäten gefordert

Michael Rotert, Vorstandsvorsitzender des Providerverbands eco, will von Extrawürsten bei der staatlichen Jagd nach Verbindungsdaten nichts wissen. Doch auch in Großbritannien sollen die Verpflichtungen uneinheitlich gelten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 117 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Michael Rotert, Vorstandsvorsitzender des Verbands der deutschen Internetwirtschaft eco, will von Extrawürsten bei der heftig umstrittenen staatlichen Jagd nach Verbindungsdaten im Telekommunikationsbereich nichts wissen. "Die Vorratsdatenspeicherung muss auch für Universitäten gelten", forderte der Branchenvertreter im Gespräch mit heise online. Einige der mutmaßlichen Attentäter vom 11. September 2001 seien schließlich in Hamburg im Hochschulumfeld unterwegs gewesen und hätten die dortigen Netze genutzt. Zudem müsse eine Gleichbehandlung öffentlicher kommerzieller Zugangsanbieter mit Hochschulprovidern gewährleistet sein.

Stein des Anstoßes: Laut dem Referentenentwurf aus dem Bundesjustizministerium zur Umsetzung der EU-Vorgaben zur verdachtsunabhängigen Speicherung von Verbindungs- und Standortdaten für sechs Monate richten sich die Archivierungspflichten an Anbieter, "die Telekommunikationsdienste für die Öffentlichkeit erbringen oder an der Erbringung solcher Dienste mitwirken". Daraus folge zugleich, heißt es in der Begründung, dass für den privaten Bereich wie "Nebenstellenanlagen oder E-Mail-Server von Universitäten ausschließlich für dort immatrikulierte Studierende oder Bedienstete" sowie etwa für unternehmensinterne Netze keine Speicherauflagen bestünden.

Rotert ist zwar weiterhin prinzipiell der Auffassung, dass die geplante Einführung der Vorratsdatenspeicherung aufgrund der erforderlichen kostspieligen Aufrüstung der Infrastrukturen zur Datenhaltung einen "der größten Hemmschuhe" für die Entwicklung der Branche darstelle. Nach wie vor ist ihm unklar, wie die technisch oft nicht adäquat ausgerüstete Polizei mit den Informationshalden und der politisch gewünschten Datenflut zurecht kommen will. Insbesondere dürfte es seiner Ansicht nach schwer fallen, bei der E-Mail zwischen aussagekräftigen Mails und Spam zu unterscheiden, wenn nur die zugehörigen Adressen abgerufen würden. Sollte die Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie aber nicht mehr zu verhindern sein, müsse zumindest gleiches Recht für alle Netzanbieter gelten.

Derweil zeichnet sich in Großbritannien ab, dass die Verpflichtungen zur Vorratsspeicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten dort ebenfalls keineswegs einheitlich gelten sollen und die in Brüssel zunächst mit in den Vordergrund gerückten Harmonisierungsbestrebungen in den Mitgliedsstaaten unterlaufen werden. So stellte das britische Innenministerium jüngst in London erste Pläne zur Umsetzung der Richtlinie vor, wonach nur einzelne Telekommunikationsanbieter mit individuellen Anordnungen zur Vorratsdatenspeicherung verpflichtet werden sollen.

Im Visier hat die Regierung dabei laut dem EU-Providerdachverband EuroISPA (European Internet Service Provider Association) vor allem große Betreiber von Festnetz- und Mobiltelefonie. Völlig offen sei bislang, inwieweit auch kleinere Internetanbieter betroffen seien. Mit Einzelheiten über die Anordnungen und ihre gesetzliche Grundlage würde erst im kommenden Jahr zu rechnen sein, sodass die Rechtsunsicherheit für die Zugangsanbieter groß bleibe. EuroISPA-Präsident Rotert vermutet, dass für die Zurückhaltung des britischen Innenministeriums beim Festzurren des Kreises der Verpflichteten auch die auf der Insel geltende Entschädigungsregelung für die Inanspruchnahme von Privaten für Hilfssheriffs-Leistungen verantwortlich ist.

Zur Auseinandersetzung um die Vorratsspeicherung sämtlicher Verbindungs- und Standortdaten, die etwa beim Telefonieren im Fest- oder Mobilfunknetz und der Internet-Nutzung anfallen, siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online):

(Stefan Krempl) / (jk)