Guck mal wer da läuft ...

Nike und Apple vertreiben erfolgreich ein funkgestĂĽtztes Pedometer-System mit iPod-Anschluss fĂĽr Jogger. Studenten der University of Washington warnen vor erheblichen Datenschutzrisiken.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Rund eine halbe Million Jogger trägt beim täglichen Auslauf inzwischen Apple in den Schuhen: Seit Sommer vertreibt das kalifornische Computer-Unternehmen gemeinsam mit dem Sportartikelhersteller Nike ein Sensor/Empfänger-System, das zurückgelegte Laufstrecken über einen Erschütterungssensor im Schuh annäherungsweise errechnet und die gesammelten Daten per Nahfunk an einen iPod-Nano-Adapter sendet. Der markenbewusste Läufer trägt dazu einen speziellen Nike-Schuh mit Mulde unter der Einlage, die dem Sensor passgenau Platz bietet – inzwischen sind aber auch Lösungen auf dem Markt, die das Anbringen des Sensors selbst an billigen Aldi-Sportschuhen ermöglichen. Über die Lauf-Software des Nike+ iPod Sport Kit lassen sich individuelle Trainingsprogramme erstellen und Laufleistungen analysieren.

Beseelt vom Lob eines digitalen Lauftrainers und angespornt von Power-Songs berichten selbst übergewichtige Senk- und Spreizfüßler inzwischen von Endorphin-Fluten, die früher quälende Kilometer in entspannte Dauerläufe verwandeln. Doch die Privatsphäre der Apple-Jünger ist nach Ansicht von Studenten der University of Washington in Gefahr. Sie befürchten, Einbrecher, eifersüchtige Lebensabschnittsgefährten oder Stalker könnten sich die funkenden Schuhe zunutze machen und Verhaltensgewohnheiten ihrer Träger ausspionieren: wann sie das Haus verlassen, wo sie sich um welche Zeit aufhalten, welche Strecken sie zurücklegen. Schuld sei der Apfel- und Swoosh-geschmückte Sensor im Schuh.

Dieser teile im eingeschalteten Zustand der Umgebung nämlich kontinuierlich mit, wer da gerade unterwegs ist. Jede Datenübermittlung des Sensors werde mit einer individuellen Kennung versehen, die man über eine Entfernung von bis zu 20 Metern abhören könne. Zum Einsatz komme ein ANT Wireless Radio des kanadischen Unternehmens Dynastream, das Anfang des Monats vom US-amerikanischen Navigationsspezialisten Garmin übernommen wurde. Um die Signale empfangen zu können, bauten die Studenten vom Department of Computer Science and Engineering mehrere Geräte und entwickelten Bedrohungsszenarien: Stalker beispielsweise könnten die Signallauscher nahe der Haustür und an anderen strategischen Punkten platzieren und wüssten so immer, wo sich ihr Opfer befinde.

Wenig Gefallen dürften Verfolgungs-Paranoiker auch an der Idee der Studenten finden, die registrierten Standortdaten automatisch per SMS oder E-Mail an einen Server schicken zu lassen und sie anschließend in Google Maps zu visualisieren. Nüchtern denkende Zeitgenossen stellen sich allerdings die Frage: Wer würde schon Hardware von mehreren hundert Euro in der Gegend platzieren, nur in der Hoffnung, dass irgendwann jemand daran vorbeiläuft. Und über einen entfernbaren Funkchip im Schuh wäre die Identität des Trägers längst nicht gesichert. Vielleicht probiert ja gerade der neue Freund den Sensor in seinem Schuh aus – und gibt dem Verschmähten beim Zusammentreffen im Wald dann kräftig eine auf die Nuss.

Aber selbst wenn die von den Studenten konstruierten Fälle – etwa die Beziehungskiste "Alice und Marvin" – mitunter Kopfschütteln verursachen, Nike und Apple müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, Datenschutzbedürfnisse ihre Kunden missachtet und mit dem Nike+ iPod Sport Kit Vorschub für eine weitere Form von Privatsphärenverletzung geleistet zu haben. Würde man das Kit, dessen Sensor bei erster Benutzung mit dem iPod-Adapter gepairt werden muss, schon ab Werk mit individuellen Kryptoschlüssel-Sets versehen, wären die Datenschutzrisiken deutlich niedriger, halten die Studenten fest. (pmz)