ProzessorgeflĂĽster
AMD äußert sich zu den ARM-Gerüchten, veranstaltet eine große Entwicklerkonferenz zum Thema Fusion, Intel könnte sich möglicherweise Apple als Chip-Schmiede anbieten und stellt den „revolutionären“ 22-nm-Prozess mit Tri-Gate-Transistoren vor.
- Andreas Stiller
Nein, AMD wolle nicht für die kleinen Mobilgeräte zur ARM-Architektur wechseln. Zwar wurde ARMs Technik-Hero Jem Davies als Keynote-Sprecher zur AMD Fusion Developer Konferenz im Juni nach Bellevue/Seattle geladen, aber nur, damit er dort für Themen wie Heterogenes Computing und OpenCL die Trommel schlage.
Davies hat allerdings zuvor die Chance ergriffen und ebenso wie sein Chef, Warren East, die Spekulationen kräftig angeheizt. Ihnen zufolge überdenke AMD derzeit seine Mobil-Strategie und so bestünde für ARM eine gute Chance, hier anzubandeln. Da fühlte sich AMD in Gestalt von Produktmanager John Taylor bemüßigt, das wieder gerade zu rücken – AMD wolle auch für den Tablet-Bereich an x86 festhalten, wo sich doch bei den Netbooks gerade ihre Llano-Prozessoren und die Brazzos-Plattformen so gut verkaufen.
(Bild:Â Intel)
Mit der erwähnten Entwicklerkonferenz zieht AMD nun endlich nach, nachdem Intel mit dem IDF und Nvidia mit der GTC schon seit vielen Jahren groß angelegte Entwicklerforen veranstalten – bei AMD gab es lediglich kleinere Tech-Day-Events. Nvidia hat allerdings die für dieses Jahr im Oktober geplante GPU Technology Conference erst vor Kurzem auf nächstes Jahr verschoben, um so der Supercomputer Conference im November aus dem Weg gehen und sich zudem international besser aufstellen zu können – heißt es offiziell. Aber viele Szenebeobachter glauben, dass der nächste Chip namens Kepler einfach nicht rechtzeitig fertig wird und man noch ein paar zusätzliche Monate braucht …
Dank 580 Millionen US-Dollar Nettogewinn im letzten Quartal kann sich nun aber auch AMD ein größeres Event leisten, wiewohl der überwiegende Anteil davon lediglich aus einer Neubewertung des Globalfoundries-Anteils stammt. Operativ lag AMD bei nur 54 Millionen Dollar, im Vorjahr waren es noch 182 Millionen. Hier drücken vor allem Verluste im Investment-Bereich, denn die Prozessoren machten 100 Million Dollar Profit (Vorjahr: 146 Millionen). Und die Grafiksparte brachte 19 Millionen ein (zuvor 48 Millionen).
Mit dem Phenom II X4 980 Black Edition hat AMD nun auch den mit 3,7 GHz aktuell höchstgetakten Vierkerner auf dem x86-Markt (mit 6 MByte L3, 125 W TDP, 195 US-Dollar OEM-Preis) – sieht man mal von den nicht mehr vertriebenen schnellsten Pentium-4-Single-Cores 570, 670 und 672 ab, die 3,8 GHz erreichten und die damals mit 115 Watt TDP als Schluckspechte in Verruf kamen. Der neue Phenom besitzt zudem einen freien Multiplikator und lässt sich sicherlich auf 4 GHz und entsprechend höhere TDP-Werte heizen.
3D-Transistoren
Während AMD zu den wenigen Firmen der Branche gehört, die allen ARM-Anstrengungen zum Trotz noch keine Lizenz des kleinen britischen Designhauses besitzen – neuester bedeutender Kunde für ARM Cortex A9/A15 ist übrigen LG –, ist Intel diesbezüglich breit aufgestellt. Mit Infineons Mobilsparte kamen Lizenzen für diverse kleinere ARM-Chips ins Haus; darüber hinaus hält Intel Lizenzen für ARM946 und insbesondere auch für den Mehrkern-Chip ARM11 MPCore, wie er im HTC Wildfire, iPhone 3G, iPod Touch, Amazon Kindle, Nintendo 3DS und Nokia N800-Tablet eingesetzt wird. Analysten sehen nun eine Chance, dass sich Intel, wenn schon nicht als Prozessorlieferant, so doch als Fertigungsschmiede dem Partner Apple für zukünftige iPads und iPhones anbieten könnte. Schließlich ist Apple gerade mit seinem aktuellen Herstellungspartner Samsung wegen zahlreicher Tablet- und Smartphone-Patente heftig im Clinch. Und bei den iMacs, Mac Pros und MacBooks klappt die Kooperation zwischen Intel und Apple ja offenbar glänzend. Gerade erst brachte Apple die neuen iMacs mit Sandy-Bridge-Prozessoren heraus, die als erste Desktop-Systeme mit Intels neuen Thunderbolt-Interconnect glänzen können (siehe S. 44 ).
Auch das noch
Intel erfindet die Multiplikation: Unter „Multiplying two Numbers“ ist nun Intel das US-Patent 7,930,337 erteilt worden. Anders als Kindergärten mit der GEMA-Gebühr für Kinderlieder müssen Schulen aber voraussichtlich nicht mit diesbezüglichen Forderungen fürs kleine und große Einmaleins rechnen, denn hinter dem großspurigen Titel verbirgt sich eine spezielle Implementierung des Karatsuba-Algorithmus – entwickelt 1960 von dem russischen Mathematiker Anatoli-Alexejewitsch Karazuba – zur schnellen Berechnung von Langzahl-Multiplikationen.
Zudem demonstrierte Intel Anfang Mai seinen Technologievorsprung mit einem groß angelegten Webcast zum Thema 22-nm-Prozess. In der Tat ist Intel der versammelten Konkurrenz in der Herstellungstechnik mindestens um ein Jahr voraus. Der P1270-Prozess arbeitet mit etlichen „Zaubertricks“, damit er weiterhin mit 193-nm-Lasern solch winzige Strukturen erzeugen kann. Früher hätte jeder Physikstudent beweisen können, dass das rein physikalisch gar nicht geht – aber es geht doch. Bereits mit dem 32-nm-Prozess hatte man Flüssigkeit (vermutlich Wasser) zwischen Linsen und dem Wafer eingebracht. Mit dieser sogenannten Immersions-Lithographie allein kann man schon etwa 40 Prozent kleinere Strukturen erzielen.
Doch das, was vorab CEO Otellini als revolutionären Fortschritt angekündigt hatte, geht über die trickreiche Verkleinerung von Strukturen noch weit hinaus, denn erstmals erobert Intel für die Massenfertigung auch die dritte Dimension der Silizium-CMOS-Chips. Schon 2002 hatten Intel-Forscher die Technik der Tri-Gate-Transistoren vorgestellt – damals noch für 65 nm, nun ist man neun Jahre später bei 22 nm so weit, dass man sie in Prozessoren einsetzen kann. Eigentlich hatte man ihre Einführung schon mit dem 45-nm-Prozess erwartet, aber da kam Intel noch mit klassischen CMOS-Transistoren zurecht. Tri-Gate-Transistoren besitzen vor allem niedrigere Leckströme und sind daher energieeffizienter als die herkömmlichen Transistoren. AMD, IBM und andere arbeiten ebenfalls seit vielen Jahren an ähnlichen Techniken (FinFets).
Der auf 22 nm verkleinerte (geshrinkte) Sandy-Bridge-Chip mit den wohl zunächst nur für Caches eingesetzten neuen Tri-Gate-Transistoren trägt den Namen Ivy Bridge. Er ist nach neueren Roadmaps erst für Anfang 2012 vorgesehen. Sein zugehöriger Chipsatz Panther Point – so Server-Chef Skaugen auf dem IDF im Peking – soll dann neben Thunderbolt auch endlich USB 3.0 unterstützen. Das wird aber auch wirklich langsam Zeit. (as)