Internet-Zensur auf dem Weltjugendtag in Köln?

Die Veranstalter des Weltjugendtages in Köln wehren sich gegen den Vorwurf, im Pressezentrum sei ein "geheimer Glaubenswächter" installiert, der Journalisten den Zugriff auf kirchenkritische Websites verwehrt.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Das Internet ist für Pressevertreter inzwischen eines der wichtigsten Hilfsmittel bei der täglichen Arbeit. Eigens eingerichtete Pressezentren sorgen bei vielen Großveranstaltungen dafür, dass Journalisten Informationen recherchieren, verifizieren und vor allem zeitnah übermitteln können. Um so schlimmer, wenn ihre Arbeit durch Restriktionen oder gar Zensur eingeschränkt wird. Diesem Vorwurf sehen sich derzeit die Veranstalter des katholischen Weltjugendtages (WJT) in Köln ausgesetzt, zu dessen Besuch heute auch Papst Benedikt XVI. in Deutschland eintraf: Laut eines stern-Berichts soll auf den rund 880 Arbeitsplätzen im WJT-Pressezentrum in der Messehalle 5 ein "geheimer Glaubenswächter" installiert sein, der Benutzern den Zugriff auf kirchenkritische Websites ebenso verwehrt wie auf Homepages von Anlaufstellen für Homosexuelle oder Seiten mit erotischen Inhalten.

Aufgefallen sei dies rein zufällig bei der Recherche zu einem Bericht über "Homosexuelle und Katholische Kirche" schreibt das Magazin. Habe man zum Beispiel versucht, über die Journalistenarbeitsplätze im Pressezentrum die Website www.huk.org, eine Page der ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche, aufzurufen, sei dies nicht möglich gewesen, weil der WJT die Seite "ganz offiziell" gesperrt habe. Weitere Tests hätten ergeben, dass sogar "reihenweise" Seiten indiziert worden seien, etwa auch www.kondome.de. Selbst Neon, das Jugendmagazin des stern, habe sich nicht ansurfen lassen. "Scheinbar überall lauerte der Teufel, dessen hässliche Fratze nicht durch die Leitung kriechen durfte", schlussfolgert das Magazin wortgewaltig.

Nachfragen von heise online ergaben allerdings, dass der Teufel in diesem Fall wohl eher im Detail steckt: Die Kölner Weltjugendtag gGmbH hatte als Veranstalter des Kirchenfestivals einen Auftrag zur Installation der Kommunikationsinfrastruktur öffentlich ausgeschrieben und dabei auch Sicherheitsvorkehrungen wie Viren- und Content-Filter für die Internet-Nutzung verlangt. Den Zuschlag für das internationale Großereignis erhielt schließlich der Kölner Carrier NetCologne. Ähnlich wie etwa bei der zentralen Administration des Kölner Bildungsservers setzte NetCologne eigenen Angaben zufolge standardmäßig Filter, die den Zugriff auf Porno- sowie Gewalt-und Nazi-Seiten unterbinden -- mit der Folge, dass auch viele Seiten nicht geöffnet werden können, deren Beschreibung die Buchstabenfolge sex (wie in Homosexualität) enthält.

Diese Filter waren bis zum gestrigen Abend aktiv und sorgten laut Nina Schmedding, stellvertretende Sprecherin des Kölner Weltjugendtages, für das "große Missverständnis". Keineswegs habe man vorgehabt, die Arbeit der mehr als 6500 akkreditierten Journalisten aus aller Welt zu zensieren, erklärte Schmedding. Möglicherweise seien aber die Filter zu streng eingestellt gewesen. Inzwischen seien die Internet-Zugänge jedoch "voll geöffnet". Judith Schmitz von NetCologne bestätigte gegenüber heise online, dass die Veranstalter des WJT nach ersten Beschwerden über die eingeschränkte Nutzung des Internet die Anweisung gegeben hätten, die Filter zu öffnen. Die These, man wolle Journalisten beim Weltjugendtag davon abhalten, nach kirchenkritischen Inhalten zu fahnden, dürfte vor diesem Hintergrund also wohl kaum haltbar sein.

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