Neue Top Level Domains: Von Political Correctness und Markenrecht

Bei der Einführung neuer Top Level Domains müssen Bewerber, Domains und Auswahlverfahren der Internet-Verwaltung ICANN eine ganze Reihe von Ansprüchen befriedigen - nicht zuletzt spielen dabei inhaltliche Kritieren, Rechtsfragen und Politik eine Rolle.

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Von
  • Monika Ermert

Bei der Einführung neuer Top Level Domains (TLDs) müssen Bewerber, beantragte Domains und das Auswahlverfahren der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) eine Reihe von Ansprüchen befriedigen. Vor allem in der Frage, wer Adresszonen wegen inhaltlicher Bedenken ablehnen darf, ist heikel. Darüber diskutieren beim ICANN-Treffen in Sao Paolo diese Woche die Domainbranche und die Regierungen. Bewerber wie dot.berlin oder sein New Yorker Pendant .nyc hoffen, dass es wenigstens im nächsten Jahr etwas wird mit einer neuen Runde.

Langfristig, erläuterte Chuck Gomes von VeriSign, Mitglied einer Arbeitsgruppe der Generic Name Supporting Organisation (GNSO) der ICANN, könne man dann möglicherweise vom Prinzip einer Einführung in periodischen Schüben auch bei der Einführung von TLDs zu einem normalen "first-come-first-serve"-Verfahren übergehen. Mit einem solchen Zulassungsverfahren verschwände für die private Netzverwaltung das Problem, aufwendige Ausschreibungsverfahren durchzuführen und innerhalb der Domain-Auswahlrunden zwischen Bewerbern um die gleiche Adresszone zu vermitteln oder auszuwählen. Zu prüfen blieben dann per Standardverfahren die technische Kompetenz und die Solidität des Geschäftsmodells eines Registry-Bewerbers sowie seine Bereitschaft, sich den ICANN-Spielregeln zu unterwerfen. Selbst die GNSO schlägt aber zunächst einmal weitere "Einzelrunden" vor. Dafür müssten, so stellten die GNSO-Vertreter vor, klare Fristen und Vorankündigungsregeln eingehalten werden.

Gleich, welches Verfahren man wählt, das größte Problem bleibt die Frage, welche Adresszone "politisch korrekt" ist und welche nicht. Die neuen Adresszonen dürfen nicht leicht mit existierenden TLDs verwechselbar sein, natürlich keine technischen Probleme verursachen (etwa durch ihre Länge), nicht die Rechte Dritter verletzten, nicht im Widerspruch zu öffentlichen Interessen stehen und keine reservierten Begriffe sein, erläuterte Phil Sheppard von ICANNs "Business-Nutzergruppe". Wer aber entscheidet, was bei Domains dem öffentlichen Interesse widerspricht?, fragte Nigel Roberts, Länderdomainmanager der Kanalinsel-Adresszone .gg. "Ist es nur das öffentliche Interesse der USA? Und was geschieht, wenn es einen Konflikt zwischen verschiedenen öffentlichen Interessen gibt?"

Schon die Ablehnung der Rotlichtdomain .xxx, gegen die einzelne Regierungen massiv zu Feld zogen, illustriert das Problem. Vint Cerf, Vorsitzender des ICANN-Vorstands, wünscht sich für alle politischen und Markenrechtsstreitfälle "ein Standardschlichtungsverfahren, in dem jede Partei ihre Rechte geltend machen kann, bevor der Vorstand sich überhaupt damit befasst und darum ringt, was zum Beispiel 'leicht verwechselbar' ist". ICANN-CEO Paul Twomey sagte gegenüber heise online mit Blick auf die Behandlung "politischer" Fälle: "Die Hoffnung ist, dass der Regierungsbeirat dazu zu einem Konsens kommt."

Tatsächlich diskutiert der ICANN-Regierungsbeirat (GAC) auch einen Entwurf unter dem Titel "GAC-Prinzipien und -Richtlinien zu Fragen von öffentlichem Interesse bei der Einführung neuer Domains". Als oberstes Prinzip wird dabei festgehalten: "Keine neue gTLD-Zeichenkette soll Hass, Rassismus, Diskriminierung irgendwelcher Art, kriminelle Aktivität oder den Missbrauch spezieller Religionen oder Kulturen fördern". Eine weitere Bestimmung lautet: "Begriffe von nationaler, kultureller oder religiöser Bedeutung sollten nur dann als Begriff für eine neue gTLD in Betracht gezogen werden, wenn es dafür einen legitimen Sponsor gibt und keine größeren Einwände von der betroffenen Gemeinschaft kommen." Regierungen sollten im übrigen das Privileg genießen, in neuen TLDs jeweils ihre Adressen kostenfrei blocken oder registrieren zu können. Aus ICANNs Sicht ebenfalls alles andere als einfach zu lösen dürfte die Auflage sein, auf eine ausgewogene regionale Verteilung zu achten. Bislang ist das Registry-Geschäft sehr stark US-amerikanisch geprägt.

Mehr Flexibilität für kleine, lokale TLDs forderte allerdings auch Sabine Dolderer, Chefin der .de-Registry DeNIC. Dass die GNSO vorschlägt, auch neue Registries (also die Betreiber der Domain-Registrierungsdatenbank) dürften nur für ICANN-akkreditierte Registrare (die Registrierungsdienstleister für Privatkunden und Firmen) Domains registrieren, sei Unsinn. "Die ICANN-Akkreditierung ist so teuer, dass sie sich nur für global arbeitende Registrare lohnt. Aber viele der neuen TLDs werden lokal sein und eine lokale Community adressieren", meinte Dolderer. Von 230 deutschen Registraren seien so etwa nur 20 bei der ICANN akkreditiert, in den Niederlanden sei das Verhältnis sogar 2000:1. Man dürfe daher die neuen Märkte nicht nur für die globalen Registries öffnen. (Monika Ermert) / (jk)