Volkszählung 2011 ist offiziell angelaufen

Das Statistische Bundesamt hat anlässlich des offiziellen Beginns der Volkszählung in Deutschland datenschutzrechtliche Bedenken zurückgewiesen. Datenschützer wie Thilo Weichert aus Schleswig-Holstein halten den Zensus 2011 für nicht notwendig.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 824 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Zum offiziellen Beginn der Volkszählung am Montag hat das Statistische Bundesamt datenschutzrechtliche Bedenken zurückgewiesen. Kein Befragter müsse Nachteile durch den Zensus befürchten, wenn er zum Beispiel nicht korrekt an seinem Wohnort gemeldet sei, sagte Präsident Roderich Egeler in Berlin. Die Daten würden nicht an Finanzämter, Sozialämter, Einwohnermeldeämter oder Sicherheitsbehörden gegeben.

Kritiker halten die Befragung aber nach wie vor für überflüssig. Sie sorgen sich um den Datenschutz. Gert G. Wagner, Vorsitzender der Zensuskommission, bekam Anfang April den "Überwachungsoscar" Big Brother Award überreicht. Der "Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung" kritisiert, dass auch Fragen gestellt werden, die über den von der EU geforderten Umfang hinausgehen, zum Beispiel zum Migrationshintergrund und zur Religion, wenngleich diese Frage freiwillig beantwortet werden kann. Zudem fürchtet der Arbeitskreis, dass mit den zusammengetragenen Daten konkrete Rückschlüsse auf den einzelnen Bürger möglich sind. Das Bundesverfassungsgericht nahm eine Beschwerde nicht an, da sie nicht den Anforderungen an eine Verfassungsbeschwerde genügt habe; gegen das Berliner Zensus-Ausführungsgesetz läuft eine eigene Beschwerde.

Die Fragen nach Religion, Glaubensbekenntnis und Migrationshintergrund würden gestellt, weil wichtige Erkenntnisse für die weitere Intergrationspolitik erhofft würden, sagte Egeler nun. In Deutschland werde viel über die Rolle des Islams in der Gesellschaft diskutiert, es gebe aber keinerlei belastbare statistische Angaben darüber, wie viele Menschen tatsächlich dieser Religion und ihren unterschiedlichen Strömungen angehören und wie diese Bevölkerungsgruppe demografisch und sozial zusammengesetzt ist.

Die sogenannten Hilfsmerkmale wie Name, Tag der Geburt und Geburtsort dürfen maximal vier Jahre gespeichert werden, sagte Egeler. Diese Merkmale würden statistisch nicht ausgewertet, sondern dienten nur dazu, die Datenerhebungs- und -verarbeitungsprozesse zu organisieren. Diese Daten sollen den "abgeschotteten Bereich der amtlichen Statistik" nicht verlassen und würden gelöscht, sobald sie nicht mehr benötigt werden.

Der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert hält die Volkszählung für nicht notwendig. Es lägen genügend auswertbare Informationen in den Behörden vor, sagte (Audiodatei) Weichert am Montag auf NDR Info. Als Beispiele nannte er Rentenversicherung, Bundesagentur für Arbeit und Melderegister. Dagegen verwies Egeler darauf, dass die Registerdaten immer noch auf den Ergebnissen der Volkszählungen von 1987 (BRD) und 1981 (DDR) basierten. Im Laufe der Jahre würden die Fortschreibungen immer ungenauer. Auch das Bundesinnenministerium wies die Bedenken zurück. Bei der internen Verarbeitung hätten die zuständigen Mitarbeiter jeweils nur auf Teile der Daten Zugriff, beteuerte ein Sprecher.

In den 1980er Jahren wurde die Volkszählung in Westdeutschland von Protesten und Boykottaufrufen begleitet. Egeler glaubt, dass die Situation heute anders ist. "Wir rechnen nicht damit, dass dem Zensus ein Widerstand entgegengesetzt wird, der das Ergebnis infrage stellt", sagte er. Verweigere sich jemand, werde er zunächst gebeten, die Informationen zu liefern. Es gebe Erinnerungen, Mahnungen und Bußgelder. Jeder, der um Auskunft gebeten werde, sei laut Gesetz dazu verpflichtet.

In Deutschland wird rund ein Drittel der mehr als 80 Millionen Einwohner befragt. Auskunft geben müssen alle Immobilien- und Wohnungsbesitzer, Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften und zehn Prozent der Einwohner, die zufällig ausgewählt werden. Bestimmte Daten aller Bürger werden aus den Melderegistern der Kommunen und dem Register der Bundesagentur für Arbeit zusammengetragen.

Die letzte Zählung in der damaligen Bundesrepublik gab es unter großen Protesten und einer Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1987. In der DDR wurde das letzte Mal 1981 gezählt. Der Zensus 2011 geht zurück auf eine Verordnung der Europäischen Union. Ermittelt werden soll vor allem die genaue Zahl der Einwohner. Danach richten sich der Zuschnitt von Wahlkreisen, der staatliche Finanzausgleich und wie viele Sitze ein Land im Bundesrat bekommt. Erste Ergebnisse sollen im Herbst 2012 vorliegen. (anw)