Verbot von "Killerspielen" bleibt heftig umstritten

Der konkrete Vorstoß aus Bayern stößt bei Bundespolitikern von SPD, Grünen und FDP auf Ablehnung, während Minister aus Brandenburg und Niedersachsen ebenfalls für einen restriktiveren Umgang mit brutalen PC-Spielen plädieren.

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Der konkrete Vorstoß des bayerischen Innenministers Günther Beckstein (CSU) für ein Verbot von "Killerspielen" über eine Verschärfung des Gewaltdarstellungsparagraphen im Strafgesetzbuch (§131 StGB) ist bei Bundes- und Landespolitikern von SPD, Grünen und FDP auf Ablehnung gestoßen. Es handle sich dabei um "kein Wundermittel", wandte sich etwa der SPD-Innenexperte im Bundestag, Dieter Wiefelspütz, gegenüber der Welt gegen die "hilflose und unbegründete Verbotsdebatte". Vielen Politikern falle nach dem Amoklauf in Emsdetten anscheinend nichts Besseres ein. Bei einzelnen Spielen wollte sich Wiefelspütz aber nicht gegen ein strafrechtliches Vorgehen sperren. Die brandenburgische Justizministerin Beate Blechinger und der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (beide CDU) begrüßten dagegen die "Diskussionsgrundlage" Becksteins für ein allgemeines Verbot und plädierten für einen restriktiveren Umgang mit brutalen PC-Spielen.
"Der Vorstoß Bayerns ist völlig richtig", hatte Schünemann gegenüber der dpa viel Lob für seinen Kollegen aus dem Süden übrig. Niedersachsen arbeite selbst an einem Konzept, das dann mit dem bayerischen Entwurf zusammengeführt werden solle. Ziel sei es, Anfang 2007 eine gemeinsame Bundesratsinitiative zu starten. Blechinger behauptete derweil im Vorfeld eines einschlägigen Prozesses am Landgericht Cottbus, dass Gewalt in den Medien aggressiv mache. In dem Fall geht es um einen 19-Jährigen, der nach wiederholten Niederlagen in einem Ringerspiel auf der Sony Playstation ("SmackDown vs. Raw 2006") einen Obdachlosen aus "niederen Beweggründen" mit Faustschlägen und Fußtritten regelrecht zertrümmert haben soll. Im Rahmen des Verfahrens wird Manfred Spitzer, Hirnforscher an der Universitätsklinik Ulm, ein medizinisches Gutachten zu möglichen Einflüssen des Videospiels auf die Schuldfähigkeit des Angeklagten präsentieren.
Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner hält dagegen, dass ein Verbot "nur scheinbar der sicherste Weg ist, Kinder und Jugendliche zu schützen". Gemäß dem SPD-Politiker ist ein breiterer Ansatz gefragt, mit dem die Medien- und Computerkompetenz der Heranwachsenden verstärkt geschult wird. Eltern seien gefordert, "ihren Kindern ein familiäres und soziales Umfeld zu schaffen, sodass diese sich in der realen Welt zurechtzufinden, statt sich in der virtuellen Welt zu verlieren."
Angesichts der "Arbeitshypothesen" Becksteins rief der Medienexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Hans-Joachim Otto, unterdessen andere Politiker zur Wahrung von Distanz zu Maßnahmen auf, "die den Jugendschutz nicht verbessern werden, dafür aber erwachsene Verbraucher bevormunden." Verbote könnten rasch in unzulässiger Zensur enden. Die von Beckstein geforderte Ausweitung von Paragraph 131 StGB hält Otto für einen "undifferenzierten und naiven Rundumschlag". Er könne dazu führen, weite Teile jugendlicher und erwachsener Computerspieler sowie Hersteller und Vertreiber zu kriminalisieren, ohne den Jugendmedienschutz auch nur ansatzweise voranzubringen.
Auch laut der kinder- und jugendpolitischen Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Miriam Gruss, zeugt der "erneute Schnellschuss" aus Bayern "von Unkenntnis und einem grenzenlosem Mangel an Realismus." Eine Verschärfung der Strafen sei nicht notwendig, da Deutschland bereits heute eines der härtesten Jugendschutzregime besitze. Es reiche daher aus, Paragraph 131 StGB richtig anzuwenden. Ansonsten entstünden weitere Papiertiger, welche die wirklichen Probleme von orientierungslosen und zu Gewalt neigenden Jugendlichen verkennen würden. Hilfreicher als ein staatliches Verbot könnte eine staatliche Empfehlung besonders wertvoller Spiele sein.
Grietje Bettin, medienpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, und Kai Gehring, ihr für Jugend- und Hochschulpolitik zuständiger Kollege, halten es ebenfalls für einen Irrglauben, "dass sich durch Verbote von Spielen Amokläufe verhindern ließen". Wer so denke, doktere allein an Symptomen herum und drücke sich vor der – viel mühevolleren – Bekämpfung der tiefer liegenden Ursachen. Viel wichtigere Fragen lauten ihnen zufolge: "Wie kam der Täter von Emsdetten an echte Waffen? Wie konnte dieser junge Mensch einen solchen Hass entwickeln? Welche Sensoren und Frühwarnsysteme brauchen wir, um gefährdete Jugendliche aus sozialer Isolation herauszuholen?" Über Gewaltdarstellungen und Lösungen, Aggressionen aus den Köpfen Heranwachsender zu bekommen, bedürfe es eine "alle Medien betreffende Debatte".
  • "Ich hasse es, überflüssig zu sein": die erwartbaren Reaktionen und Verdächtigen - einmal wieder wird die Ursache des Amoklaufs in Emsdetten bei den "Killerspielen" gesucht; Artikel in Telepolis
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