Keine Kritik erlaubt in Chinas zensierter Wikipedia-Alternative

Chinas Konkurrenz für die freie Online-Enzyklopädie verbietet unter anderem "bösartige Beurteilungen des gegenwärtigen nationalen Systems" oder "Angriffe auf Regierungsinstitutionen und Funktionäre".

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 241 Kommentare lesen
Lesezeit: 2 Min.
Von
  • dpa

Chinas größte Suchmaschine Baidu hat vor einigen Tagen eine zensierte eigene Online-Enzyklopädie gestartet als Konkurrenz zu Wikipedia, die in China wegen ihrer politischen Inhalte gesperrt ist. Die Regeln, nach denen Artikel eingestellt werden können, wurden nun etwas genauer bekannt: Chinas Konkurrenz für das von Internetnutzern geschriebene Nachschlagewerk verbietet "bösartige Beurteilungen des gegenwärtigen nationalen Systems" oder "Angriffe auf Regierungsinstitutionen und Funktionäre". Dies ging am Freitag aus den Bestimmungen des Baidu Baike genannten Dienstes hervor. Verboten sind Beiträge, die "die gesellschaftliche und öffentliche Ordnung schädigen" oder "Streit im Zusammenhang mit Minderheiten, Rassismus, Religion und Regionen anzetteln". Baidu behält sich die Interpretation "angemessener" Beiträge vor.

Die internationale, freie Online-Enzyklopädie Wikipedia, die Ausgaben in vielen Sprachen hat, begann ihre chinesische Version 2001; sie hat heute 67.000 Einträge. Zunächst waren vor allem wissenschaftliche und geschichtliche Themen aufgegriffen worden, sodass sich Chinas staatliche Zeitungen Anfang 2004 lobend über Wikipedia äußerten. Die erste Blockade durch die chinesische Zensur wurde aber 2004 um den Jahrestag der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung am 4. Juni 1989 dokumentiert. Um das Massaker von Tian'anmen entwickelte sich bei Wikipedia eine lebhafte Debatte – ähnlich über die demokratische Inselrepublik Taiwan, die Peking nur als abtrünnige Provinz betrachtet.

Als heikle Themen kamen die Ein-Kind-Politik sowie die Herrschaft der Kommunistischen Partei hinzu, sodass der Zugang zu Wikipedia nach sporadischen Unterbrechungen im Oktober 2005 endgültig gesperrt wurde. Selbst die deutschen oder englischen Versionen sind nicht mehr zugänglich. Das Internetunternehmen Baidu nutzt die Sperre jetzt, um sich selbst als Nummer eins der offenen Enzyklopädien in China zu etablieren. In einem Interview der Financial Times gab Baidu-Chef Robin Li vor, nicht einmal zu wissen, dass Wikipedia in China gesperrt sei. Er bestätigte, das "Baidupedia", wie seine Enzyklopädie auf Englisch genannt wird, das gleiche Prinzip kopiert hat.

Nach eigenen Angaben enthält Baidu Baike kurz nach dem Start im April bereits 107.662 Einträge. Autoren, deren Beiträge erfolgreich die Zensur passieren, können Titel erwerben und praktisch online Karriere machen. Anders als bei Wikipedia, deren Texte wie freie Software veröffentlicht werden, sichert sich Baidu alle Urheberrechte. (dpa) / (jk)