Die Woche: Kaputt gefrickelt

Wie das Auswärtige Amt mit Linux baden gegangen ist – und warum die Rückmigration auf Windows nichts über die Eignung von freier Software für Behörden-Desktops aussagt.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Dr. Oliver Diedrich

Freie Software hat sich auf den Desktops im Auswärtigen Amt als unwirtschaftlich, bedienerunfreundlich und nicht interoperabel erwiesen. So zumindest begründet die Bundesregierung die Rückmigration der Behörden-Desktops auf Windows 7 und MS-Office 2010. Das ist natürlich Wasser auf die Mühlen all derer, die diesem Open-Source-Kram noch nie getraut haben.

Tatsächlich sagen die Erfahrungen im Auswärtigen Amt nicht viel über die Eignung von Linux und freier Software für Behörden-Desktops aus. Ein Blick auf die Details zeigt, dass das Linux-Experiment im AA an ganz anderen Dingen gescheitert ist: an Fehlentscheidungen bei der Planung und Gefrickel bei der Umsetzung.

Da erfährt man beispielsweise, dass die IT-Abteilung des Auswärtigen Amts eine eigene Linux-Distribution entwickelt hat – und dann damit überfordert war, das System zu warten und die Software auf dem aktuellen Stand zu halten. Ausbaden mussten es die Anwender, die mit heillos veralteten und – laut einer internen McKinsey-Studie – teilweise auch noch mit unterschiedlichen Versionen zentraler Anwendungen wie Thunderbird und OpenOffice ihre Arbeit erledigen mussten. Kein Wunder, dass die Unzufriedenheit der Mitarbeiter im AA mit der Software groß war, dass es Probleme mit der Interoperabilität gab und dass allein der Kampf mit den Updates eine Menge personelle Ressourcen in der IT gebunden hat.

Mit freier oder proprietärer Software hat das nicht das Geringste zu tun, wohl aber mit gut oder schlecht konzipierten und gewarteten PC-Arbeitsplätzen. Und auch die von der Bundesregierung beklagte fehlende Herstellerhaftung bei Open-Source-Anwendungen ist ein Scheinargument: Suse beispielsweise bietet seinen Linux Desktop für Unternehmen bereits seit 2003 an. Die Einführung von Linux auf dem Desktop im AA startete 2005. Man hätte also durchaus Linux-Desktops mit Hersteller-Support haben können; aber die Verantwortlichen haben sich dafür entschieden, lieber alles selbst zu machen.

Oder man liest in der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Grünen, dass eine Vielzahl von Arbeitsplätzen als Dual-Boot-Systeme mit Linux und Windows ausgelegt waren. Dual Boot ist eine schöne Lösung für Geeks, die genau wissen, wofür man welches Betriebssystem nimmt und wie man von beiden Systemen aus an seine Daten rankommt. Aber ein Diplomat, der beim morgendlichen Einschalten des Rechners erst mal darüber nachdenken muss, welche Software er heute wohl braucht und welches Betriebssystem er dafür starten muss – das passt in einen Monty-Python-Film, aber nicht zu einem Arbeitsplatz im Auswärtigen Amt. So etwas schafft natürlich keine Linux-Akzeptanz unter den Mitarbeitern.

Die Linux-Einführung im AA kommt mir ein bisschen so vor, als hätten hier ein paar Linux-Begeisterte im Wesentlichen ihr eigenes System auf ein paar tausend Arbeitsplätze kopiert. Die Ansprüche von Anwendern, die den PC lediglich als Werkzeug nutzen, scheint man dabei ebenso falsch eingeschätzt zu haben wie den Aufwand, diese Arbeitsplätze anschließend alle zu warten. Mit Open Source hat das höchstens insofern zu tun, als der Weg "Wir machen alles selbst" bei proprietärer Software in der Regel gar nicht erst zur Wahl steht. (odi) (odi)