Angeblich 200.000 deutschsprachige Bombenbauanleitungen im Netz

Die Sicherheitsfirma PAN AMP warnt vor "massiver Gefährdung der inneren Sicherheit" und hat mit dem Bund deutscher Kriminalbeamten Forderungen zur Kontrolle des Internet formuliert.

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Von
  • Florian Rötzer

Die Hamburger Firma PAN AMP, die Sicherheitssoftware entwickelt und beispielsweise 2002 nach dem Amoklauf in Erfurt einen "Ego-Shooter-Filter" angeboten hat, macht seit einigen Jahren immer wieder durch Meldungen auf sich aufmerksam, um auf Gefahren aus dem Netz hinzuweisen und dabei nicht uneigennützig auf Gesetzesverschärfungen, bessere Kontrolle und andere Sicherheitstechniken hinzuweisen. Für NDR Info hat PAN AMP nun das Internet nach deutschsprachigen "Anleitungen zum Zusammenbau von gefährlichen Sprengsätzen" durchsucht und ist dabei reichlich fündig geworden. Dabei habe man auch das "Deep Internet" einbezogen habe, das von den normalen Suchmaschinen nicht erfasst wird. Angeblich habe man mindestens 200.000 solche Anleitungen zum Bombenbau entdeckt.

Bert Weingarten, Vorstand von PAN AMP, ist um zuspitzende Formulierungen nicht verlegen: "Die Palette reicht von der Briefbombe bis hin zur Anleitung, wie sich große Personenzüge in die Luft sprengen lassen. Die innere Sicherheit des Landes ist dadurch massiv gefährdet." Kaufen könne man die meisten benötigten Materialien in Baumärkten und Apotheken. Mit solchen drastischen Warnungen will man auch Druck ausüben, die Internetfahndung bzw. -kontrolle bei der Polizei zu verstärken, die dazu auch die notwendigen Mittel wie von PAN AMP entwickelte Suchfunktionen benötigt, die PAN AMP kostenpflichtig anbietet. So heißt es denn auch in der Mitteilung von NDR Info, dass der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) bemängelt habe, "dass eine effektive Bekämpfung der Internetkriminalität mit der derzeitigen Ausstattung der Polizei kaum möglich" sei. PAN AMP wiederum fordert ein Verbot von Bauanleitungen und bietet auch Filter für diese an.

Seit 2003 wird von PAN AMP regelmäßig nach Anschlägen vor Bombenbauanleitungen gewarnt. So hatte Weingarten auch vergangenes Jahr nach den Anschlägen in London bei der Jagd auf islamistische Terroristen im Internet, dem "Cyber-Mekka zur Rekrutierung neuer Märtyrer", auf Bombenbauanleitungen aufmerksam gemacht. Damals meinte Weingarten: "Aufgrund von Einsparungen stehen dringend notwendige Technologien zur Auffindung nicht zur Verfügung. Weiter fehlt es massiv an staatlichen Internet-Fahndern die die unzähligen arabischen Mundarten verstehen und die angewandten Sprachen und Schriftzeichen lesen können. Kurz, das erschreckende Potenzial der neuen Terror-Schule Internet ist noch längst nicht erkannt." Deutschland bezeichnete Weingarten zudem als "Mekka für digitale Terror- und Bombenanleitungen". Im Frühjahr 2005 hatte man bei PAN AMP angeblich erst 32.000 Webseiten mit entsprechenden deutschsprachigen Inhalten gefunden.

Der §130a StGB verbietet die Verbreitung von "Schriften", die geeignet sind, als "Anleitung" zu einer schweren Straftat nach §126 StGB zu dienen. Nach Ansicht des Bundesjustizministerium, das von NDR Info gefragt wurde, fällt unter den §130a auch die Verbreitung von Bombenbauanleitungen im Internet. Anlässlich der missglückten Bombenanschläge in diesem Sommer hatte BKA-Chef Zierke aber trotzdem ein Verbot von Bombenbauanleitungen gefordert. Die gescheiterten Attentäter sollen ihre Bomben nach Anleitungen im Internet gebaut haben. Im Bundesinnenministerium wies man gegenüber NDR Info darauf hin, dass viele Seiten nicht von Deutschland aus ins Netz gestellt würden, weswegen man dann keine Handhabe besitze. Zudem erschwere es "die schiere Masse, den Fällen nachzugehen".

Ende November hatte der Bund deutscher Kriminalbeamter zusammen mit Weingarten nach dem Amoklauf von Emsdetten bereits einen Katalog von Forderungen vorgelegt, um gegen die Internetkriminalität vorzugehen, wobei das Anliegen von PAN AMP gleichzeitig mit befördert wurde. Anleitungen zur Herstellung von Mitteln aller Art, die zu Angriffen oder Anschlägen dienen, sollten verboten werden. Der Kriminalistenbund plädierte auch für eine längere Vorratsdatenspeicherung, fordert den Ausbau der Internetfahndung mit den entsprechenden technischen Mitteln, will "anlassunabhängige Recherchen" wohl auch von selbstberufenen Firmen oder Individuen legalisiert wissen und verlangt überdies "die Schaffung der logistischen und technischen Voraussetzungen, dass indizierte und strafbewehrte Inhalte in Deutschland nicht von ausländischen Servern heruntergeladen werden können". Möglicherweise sieht Weingarten in der gegenwärtigen Diskussion eine Möglichkeit, mit einer Firewall, um Deutschland gegen "Killerspiele", Bombenbauanleitungen und anderes zu wappnen, ins Geschäft zu kommen. (fr)