Spätfolgen eines Computer-Virus -- Sasser-Entwickler vor Gericht

Im vergangenen Jahr lehrte er Millionen Internet-Nutzer rund um den Globus das Fürchten -- in diesem Jahr muss er selbst bangen: der Entwickler des Internet-Wurms Sasser.

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Von
  • Ulrich Steinkohl
  • dpa

Im vergangenen Jahr lehrte er Millionen Internet-Nutzer rund um den Globus das Fürchten -- in diesem Jahr muss er selbst bangen: Der Entwickler des Internet-Wurms Sasser, ein 18 Jahre alter Schüler aus dem kleinen Dorf Waffensen im Landkreis Rotenburg/Wümme, wird voraussichtlich im Frühjahr vor Gericht stehen. Die Anklage wirft ihm Computersabotage und Datenveränderung vor; erwischt wurde er unter anderem durch Tippgeber.

Anfang Mai 2004 verbreitete sich Sasser blitzschnell. Laut Schätzungen soll der Schädling allein am ersten Mai-Wochenende weltweit hunderttausende Computer befallen haben. Er nutzte eine Lücke im Local Security Authority Subsystem Service in Windows XP und Windows 2000. Betroffen waren unter anderem die Europäische Kommission und die US-Fluggesellschaft Delta Airlines, die viele Flüge strich.

Der von der Staatsanwaltschaft ermittelte Schaden von rund 130.000 Euro wirkt vergleichsweise gering. "Weltweit kann sicher mehr als 1 Million Euro Schaden entstanden sein", sagt Oberstaatsanwalt Detlev Dyballa. "Wir haben das aber nicht abschließend ausermitteln können." Der Grund: Manche geschädigten Unternehmen wollten sich keine Blöße geben. Sie waren "nicht unbedingt kooperativ", bedauert Dyballa. "Da ist ein bisschen gemauert worden." Gleichwohl sei eine Vielzahl Geschädigter ermittelt worden, zum Beispiel größere Gemeinden. "Und da kann man schon sagen: Das ist eigentlich ein dickes Ding."

Dieses "dicke Ding" wird möglicherweise ein sehr umfangreiches Gerichtsverfahren nach sich ziehen. Die Anklage hat rund 170 Zeugen benannt. "Wenn alle gehört werden, sitzen wir ein halbes Jahr lang", sagt der Anwalt des Sasser-Entwicklers, Jens Möwe. Dyballa kennt den Ausweg: Der Angeklagte müsse nur ein glaubhaftes Geständnis ablegen -- ähnlich wie er es bereits bei der Polizei getan habe. "Dann könnte man so einen Prozess in eineinhalb Stunden zum Abschluss bringen. Andernfalls müsste sich das Gericht von Sachverständigen genau erklären lassen, wie Internet-Würmer erstellt und ins weltweite Netz gesetzt werden. Die Staatsanwaltschaft Verden hat sich dieses Wissen bereits aneignen müssen. Mit Computersabotage hatte sie bisher nichts zu tun gehabt. "So ein Verfahren ist für uns erstmalig", sagt Dyballa.

Das Strafgesetzbuch sieht für Computersabotage bei Erwachsenen eine Geld- oder eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vor. Das würde nach Einschätzung des Oberstaatsanwalts "nie annähernd rauskommen". Da der Beschuldigte zur Tatzeit noch 17 Jahre alt war, kommt bei ihm ohnehin das Jugendrecht zur Anwendung, das neben Haft auch Sanktionen wie Verwarnungen oder Arrest mit Arbeits- oder Geldauflagen vorsieht. Dem bevorstehenden Prozess könnten weitere folgen. Denn sollten Geschädigte Schadenersatz haben wollen, müssten sie ihre Ansprüche in gesonderten Zivilverfahren geltend machen. Anwalt Möwe bezweifelt die genannten Schadenssummen. Da gebe es manchen Trittbrettfahrer. "Es werden Rechnungen präsentiert, die nicht nachvollziehbar sind", sagt er. (Ulrich Steinkohl, dpa) / (jk)