Pakt bei Softwarepatenten vorgeschlagen

Ein Vertreter der Business Software Alliance hat Softwarepatent-Gegner aufgefordert, ihr pauschales Nein zum Rechtsschutz von Computerprogrammen aufzugeben. Dann werde man gemeinsam gegen "Trolle" kämpfen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 159 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.

Francisco Mingorance, Cheflobbyist der Business Software Alliance (BSA) in Europa, hat Gegnern von Softwarepatenten einen ungewöhnlichen Deal unterbreitet. Auf dem auf dem von Premier Cercle organisierten "Gipfeltreffen" der "Intellectual Property"-Gemeinde, dem "IP Summit" in Brüssel, erklärte der Vertreter der Interessen von Konzernen wie Apple, HP, Intel, Microsoft oder Time Warner: "Wenn Sie aufhören mit ihren Versuchen, uns allen pauschale Ausnahmen vom Patentschutz aufzuerlegen, ziehen wir an einem Strang." Gemeinsam könne man dann die Reform des Patentwesens in Europa vorantreiben und sicherstellen, "dass wir hier nicht die Fehler der USA reproduzieren". Auch bei der BSA möge keiner "Patent-Trolle", die das System mit Rechtsstreitigkeiten missbrauchen. Hand in Hand könne man auch die drohende Kriminalisierung von Patentverletzern in der EU verhindern. Nur die Kritik an einer Ausweitung des Geltungsbereichs der Patentierbarkeit auf Software habe im Gegenzug zu verstummen.

"Wir haben viele gemeinsame Ziele", umgarnte Mingorance das Lager der Softwarepatent-Widersacher anderthalb Jahre nach dem Scheitern der heftig umstrittenen EU-Richtlinie über den gewerblichen Rechtsschutz von "computerimplementierten Erfindungen" weiter. Der "ideologische Kampf" zwischen Firmen, die proprietäre Softwareprodukte verkaufen wollen, und solchen, die einen Service-orientierten Ansatz verfolgen, müsse zu den Akten gelegt werden.

Zuvor hatte Jeremy Roche von der European Software Association klargemacht, dass der Mittelstand in Europa das US-System mit Patenten auf Geschäftsmodelle und Computerprogramme weiterhin ablehne. Praktiken wie der Aufkauf tausender Schutzansprüche und das gleichzeitige Anheuern von Anwälten "zum Herumtrollen", müssten auf dem alten Kontinent Riegel vorgeschoben werden.

Auch Mark Webbink, stellvertretender Chefjustiziar des Linux-Distributors Red Hat, mag das US-Patentsystem nicht als erstrebenswertes Modell für Europa ansehen. Die Zahl der in den USA gewährten Softwarepatente laufe stracks auf 300.000 zu, sodass keine Programmierschmiede mehr alle ihre Applikationen frei von Ansprüchen Dritter halten könne. Auch der um geistige Eigentumsrechte so besorgte Marktführer Microsoft müsse sich "jederzeit durchschnittlich in 40 Patentverletzungsverfahren verteidigen". Webbink erinnerte zudem daran, dass die meisten erfolgreichen Softwarefirmen ohne staatlich gewährte Monopolansprüche groß geworden seien. Inzwischen stelle sich das US-System des geistigen Eigentums empirischen Studien zufolge als Behinderung für den Wettbewerb und die Innovation dar.

Laut Lee Hollaar, Informatikprofessor an der University of Utah, führt dagegen kein Weg um die Freigabe von Softwarepatenten herum. Bevor diese in den USA erfolgt sei, wären die Streitigkeiten um Urheberrechtsverletzungen rund um Computerprogramme immer weiter ausgedehnt worden. Sie hätten sich etwa auf das Oberflächendesign und die "Anmutung" von Software bezogen. Da sei der Patentschutz vorteilhafter, weil die Ansprüche präziser seien und das eingeflossene Know-how öffentlich zugänglich gemacht werde. In Richtung von Open-Source-Entwicklern gab er zu bedenken, das auch für sie der einzig wahre Schutz in Patenten läge, wenn sie ihre Ideen nicht einfach verschenken wollten. Der gewerbliche Rechtsschutz stelle nur dann ein Problem dar, "wenn man Unix einfach umschreibt zu GNU Linux", legte Hollaar Verstöße gegen geistige Eigentumsrechte in dem frei verfügbaren Betriebssystem nahe.

Der Forscher räumte aber auch große Probleme mit dem US-Patentsystem ein, die mit den gegenwärtigen gesetzgeberischen Reformvorschlägen nicht beseitigt werden könnten. Der bestehende Rechtsschutz werde zu häufig vergeben, dauere zu lang und sei zu umfassend, rührte Hollaar die Werbetrommel für seine Initiative für ein vor allem zeitlich stark begrenztes "Patent 2.0". Generell gestand er ein, dass das US-Patentwesen gleichsam von seinem eigenen Erfolg erschlagen werde und riesige Rückstaus an Anträgen produziert würden. Wer immer mit tragfähigen Alternativen aufkomme, dem gehöre die Zukunft.

Einen Kurswechsel dürfte nach Ansicht des Professors der viel beachtete Fall KSR International vs. Teleflex mit sich bringen, in dem vom Obersten US-Gerichtshof eine Grundsatzentscheidung gegen Trivialpatente erwartet wird. Bei der Anhörung Ende November hätten die Richter geradezu eine "Feindlichkeit" gegenüber dem Patentsystem an den Tag gelegt. Hollaar geht daher davon aus, dass ihr Beschluss "es sehr schwer machen wird, künftig noch ein Patent zu erhalten". Die Auflagen zur Patentprüfung dürften deutlich verschärft werden.

Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (jk)