Kein Auskunftsanspruch gegen Provider – auch nicht bei gefälschten Nacktbildern

Eine Prominente verlangte von einem Internet-Provider die Adressauskunft über einen Kunden, der gefälschte Nacktaufnahmen von ihr ins Netz gestellt hatte. Vor dem Kammergericht Berlin scheiterte sie damit.

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Von
  • Dr. Noogie C. Kaufmann

Ein Webspace-Provider muss nach geltendem Recht nur gegenüber Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden sowie Gerichten Auskunft über Daten seiner Kunden geben. Eine Auskunftsverpflichtung oder auch nur ein Auskunftsrecht gegenüber zivilrechtlichen Anspruchstellern besteht normalerweise nicht. Urheberrechtsinhaber und andere von illegalen Internet-Veröffentlichungen Gebeutelte müssen so regelmäßig erst die Staatsanwaltschaften mit Strafanzeigen zum Einholen von Providerauskünften bewegen, um dann über eine Akteneinsicht an die Namen und Adressen derjenigen zu kommen, an die sie sich zivilrechtlich halten können. Diesen von Anspruchstellern immer wieder als Ärgernis, von Datenschützern hingegen als notwendige Schutzmauer angesehenen Umstand hat das Kammergericht (KG) Berlin in einem jetzt bekannt gewordenen Urteil gegenüber einer Prominenten, die gegen Verbreiter gefälschter Nacktbilder vorgehen wollte, bestätigt.

Wenn auf einer Website Bilder verbreitet werden, welche die Persönlichkeitsrechte eines Menschen verletzen, so steht diesem ein Unterlassungsanspruch gegen den Site-Betreiber und auch gegen den Provider zu, der den Webspace für das Internet-Angebot zur Verfügung stellt. Der Provider darf jedoch keine Auskunft über die Identität seines Kunden erteilen. Das gilt auch dann, wenn es um gefälschte Nacktbilder geht und die Betroffene eine bekannte Schauspielerin und Moderatorin ist – so entschied das KG Berlin, das im Rang eines Oberlandesgerichts (OLG) steht, in einem Berufungsprozess (Az. 10 U 262/05), nachdem das Landgericht (LG) Berlin zunächst anders geurteilt hatte. Dem Auskunftsanspruch, so das Kammergericht, stehen die Erfordernisse des Datenschutzes entgegen. Eine Herausgabe der Kundendaten an Dritte komme nur bei einer vorherigen Einwilligung des Kunden in Betracht.

Damit bewegen sich die Richter des KG auf der Hauptlinie der bisherigen Rechtsprechung, wenn auch einzelne Urteile etwa im Zusammenhang mit rechtsverletzenden eBay-Angeboten bereits Anspruchstellern auf urheberrechtlicher Grundlage zu Auskünften über personenbezogene Daten, in diesem Fall von eBay-Anbietern, verholfen haben.

In Berlin ging es um manipulierte Bilder, die eine prominente Fernsehfrau scheinbar hüllenlos und in anzüglichen Posen zeigten. Da die Betroffene den Schöpfer und Verbreiter nicht selbst ermitteln konnte, trat sie an den Webspace-Provider des betreffenden Internet-Angebots heran und verlangte neben der sofortigen Löschung der schlüpfrigen Fakes auch Auskunft über Name, Anschrift und IP-Nummer jener Kunden, die für die Verbreitung verantwortlich seien. Vor dem LG bekam sie in beiden Punkten Recht. Der beklagte Provider erklärte sich auch bereit, die Bilder sofort zu entfernen.

Die Verurteilung zur Herausgabe der Kundendaten wollte er hingegen nicht akzeptieren und legte Berufung zum KG ein – mit Erfolg. Ohne sich näher mit dem Problem zu befassen, ob es sich bei IP-Kennungen um personenbezogene Daten im Sinne des Datenschutzes handelt, kam das Gericht ohne große Umschweife auf Paragraf 5 Satz 1 des Teledienstedatenschutzgesetzes (TDDSG) zu sprechen: Danach dürfen personenbezogene Daten, "die für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung oder Änderung eines Vertragsverhältnisses" benötigt werden (so genannte Bestandsdaten) nicht ohne Einwilligung des Kunden weitergegeben werden.

Ausnahmen von dieser Regel gelten dann, wenn Strafverfolgungsbehörden oder Gerichte Auskunft verlangen (§ 5 Satz 2 TDDSG) oder wenn eine andere Rechtsvorschrift die Weitergabe der Daten gestattet (§ 3 Abs. 2 TDDSG). Diese Ausnahmen kamen dem KG zufolge hier nicht zum Tragen. Hinsichtlich einer "anderen Rechtsvorschrift" erteilten die Richter dem Argument der Moderatorin eine deutliche Absage, Paragraf 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zum Grundsatz von Treu und Glauben würde dafür heranzuziehen sein. Dieser unter Juristen oft als letzter Rettungsanker gehandelte Paragraf, der immer dann aus dem Hut gezaubert wird, wenn ansonsten gar nichts mehr hilft, verschafft nach Auffassung des KG keine Handhabe zur Herausgabe von Bestandsdaten. Schließlich gehe aus dem TDDSG eindeutig hervor, dass die dortigen Auskunftsansprüche abschließend geregelt seien und eine Generalklausel wie Paragraf 242 BGB keine andere Sicht der Dinge rechtfertige. Auch einen Auskunftsanspruch nach Paragraf 101a des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) aufgrund einer entsprechenden Anwendung lehnte das KG ab.

Schließlich und endlich mochten die Richter im Verweigern eines zivilrechtlichen Auskunftsanspruchs auch keinen Verstoß gegen die Verfassung sehen, da die Moderatorin nicht schutzlos sei. Schließlich könne sie unter anderem auch Strafanzeige erstatten.

Wie bereits erwähnt haben andere Gerichte in Einzelfällen doch geurteilt, dass §101a UrhG einen Anspruch auf Auskunft über personenbezogenen Daten erlaube. So räumte das OLG München Urheberrechtsinhabern einen solchen Anspruch gegenüber den Betreibern des Online-Marktplatzes eBay ein, wo Plagiate von Markenartikeln aufgetaucht waren und die Anbieter nur durch eine Auskunft von eBay-Kundendaten herauszubekommen waren. Das Gericht bediente sich hierfür einer sehr umstrittenen analogen Anwendung von § 101a UrhG, der Inhabern von Urheberrechten einen Anspruch gegenüber Plagiatoren auf "unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg" illegaler Kopien gibt. (Noogie C. Kaufmann) / (psz)