Widerstand gegen Regulierungsferien beim VDSL-Netz im Bundesrat

Hamburg und Niedersachsen haben sich im Wirtschaftsausschuss der Länderkammer gegen die vom Bundestag beschlossene Regulierungsfreistellung für "Neue Märkte" im Telekommunikationsgesetz stark gemacht.

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Hamburg und Niedersachsen haben sich im Wirtschaftsausschuss des Bundesrats gegen die vom Bundestag beschlossene Regulierungsfreistellung für "Neue Märkte" im Telekommunikationsbereich stark gemacht. In einem entsprechenden Antrag der beiden Länder gegen die heftig umstrittene Änderung am Telekommunikationsgesetz (TKG) heißt es unter anderem, dass die von der großen Koalition befürworteten Regulierungsferien für das VDSL-Netz der Deutschen Telekom nicht mit EU-Recht zu vereinbaren seien und einer wettbewerbsbehindernden Rückkehr zum Monopol des Rosa Riesen Vorschub geleistet werde. Kritisiert wird, dass der Ermessensspielraum des nationalen Regulierers eingeschränkt werden soll. Die Bundesnetzagentur kann laut dem verabschiedeten Gesetzesentwurf erst bei langfristigen Marktbehinderungen einschreiten.
Gemäß dem neuen Paragraphen 9a im Telekommunikationsgesetz sollen "neue Märkte" grundsätzlich nicht der Regulierung unterliegen. Nur wenn "Tatsachen die Annahme rechtfertigen", dass bei fehlender staatlicher Kontrolle "die Entwicklung eines nachhaltig wettbwerbsorientierten Marktes im Bereich der Telekommunikationsdienste oder -netze langfristig behindert wird", soll die Bundesnetzagentur einschreiten. Dabei soll sie "insbesondere das Ziel der Förderung von effizienten Infrastrukturinvestitionen und die Unterstützung von Innovationen" berücksichtigen. Die große Koalition kam mit der Regelung einem alten Wunsch der Deutschen Telekom nach. Diese hatte sich frühzeitig im vergangenen Jahr an die Bundesregierung mit der Bitte gewandt, die rund 3 Milliarden Euro Investitionen für ihr geplantes VDSL-Netz vor Mitnutzungsauflagen für die Konkurrenz zu schützen.
Generell erhielten einzelne Regulierungsziele einseitig Vorrang, geben Hamburg und Niedersachsen nun zu bedenken. Ferner sei der Kriterienkatalog für die Definition "neuer Märkte" verfehlt. Der Antrag bemängelt schließlich, dass im TKG-Änderungsgesetz keine Regelung für die effiziente Ausgestaltung einer sektorspezifischen Missbrauchskontrolle enthalten sei. Im Ergebnis bestehe durch das von der EU-Kommission angekündigte Vertragsverletzungsverfahren eine erhebliche Rechts- und Planungsunsicherheit für alle Marktteilnehmer. Am kommenden Freitag wird sich nun das Plenum des Bundesrats in seiner letzten Sitzung in diesem Jahr mit der TKG-Novelle und dem Antrag beschäftigen (Tagesordnungspunkt 74).
Wettbewerber der Telekom schöpfen angesichts der Sorgen der Wirtschaftspolitiker auf Länderebene wieder Hoffnung auf einen "fairen" VDSL-Zugang. Sie kritisieren die geplanten Regulierunsferien seit langem scharf, da damit für alle Marktteilnehmer Planungsunsicherheiten entstünden und Wettbewerbs- sowie Ordnungspolitik flöten gehen würden. "Die Länder kritisieren zu Recht, dass der Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung das eigentliche Ziel, Innovationen zu ermöglichen und Infrastrukturinvestitionen zu fördern, konterkariert", begrüßt der Geschäftsführer des Branchenverbands VATM, Jürgen Grützner, daher den Vorstoß im Bundesrat. Die Länderchefs hätten am Freitag "die letzte Chance, die berechtigten Einwände gegen die TKG-Novelle in ihrer jetzigen Form zu berücksichtigen".
Auch der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) freut sich, dass der Weg frei gemacht werden könnte für eine Wiederaufnahme der Diskussion im Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag. "Wir werden nochmals alles in den Ring werfen, um im zweiten Anlauf eine Lex Telekom zu verhindern", kündigte Breko-Geschäftsführer Rainer Lüddemann an. Es habe schließlich nicht an "ökonomischen Gutachten, wissenschaftlicher Kritik und politischen Warnungen vor allem aus Brüssel wahrlich nicht gemangelt". Diese Argumente dürften nicht ein weiteres Mal überhört werden, "wenn sich die Politik nicht erneut einem Scheitern in letzter Sekunde aussetzen möchte." Allerdings sieht Lüddemann auch die Gefahr, dass der in den vergangenen Monaten stärker gewordene Einfluss der Telekom-Lobby im ungünstigsten Fall im Vermittlungsausschuss für eine noch wettbewerbsfeindlichere Regelung sorgen könnte.
Berlin hat die TKG-Reform dagegen erneut verteidigt. Es handle sich dabei nicht um eine "Lex Telekom" oder "Lex VDSL", betont die Bundesregierung in ihrer Antwort (PDF-Datei) auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion. Im Gesetz sei eine Regelung gefunden worden, die entsprechende Prüfungen durch die Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde je nach zu erwartender Markt- und Wettbewerbssituation mit unterschiedlichen Rechtsfolgen vorsehe. Für den Fall, dass vorab mit einem dauerhaften "privaten Monopol" gerechnet werden muss, dürfe auf Regulierung nicht verzichtet werden. Die konkrete Einzelfallprüfung obliege der Bundesnetzagentur
Zur Novellierung des Telekommunikationsgesetzes, der Auseinandersetzung um die Telekommunikationsregulierung und das geplante VDSL-Netz der Deutschen Telekom siehe auch: