Wenn Raben Trauer tragen: zum 100. Geburtstag von Carl Gustav Hempel

Heute vor 100 Jahren wurde der deutsch-amerikanische Philosoph Carl Gustav Hempel in Oranienburg geboren.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 102 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Heute vor 100 Jahren wurde der deutsch-amerikanische Philosoph Carl Gustav Hempel in Oranienburg geboren. Hempel erreichte Weltruhm mit dem Deduktiv-Nomologischen Modell, das er zusammen mit Paul Oppenheim im belgischen Exil formulierte. Der breiteren Allgemeinheit bekannter ist seine Untersuchung der Aussage "Alle Raben sind schwarz", die als Hempels Paradox in die Wissenschaftsgeschichte eingegangen ist. Im Umfeld der Informatik wurde er bekannt, als er sich im hohen Alter mit den Thesen des KI-Forschers Bruce Buchanan auseinandersetzte, der an der Universität Stanford zusammen mit Edward Feigenbaum das Heuristic Programming Project leitete, das Computer zur MSR-Analyse (Mechanization of Scientific Reasoning) einsetzte. Während hier die ersten Expertensysteme wie DENDRAL auf Basis von Hempels frühen Definitionen entstanden, setzte dieser sich 1985 mit "Thoughts on the limitation of discovery by computer" gegen das Projekt der Abduktion durch Computer und wurde damit Teilhaber an der großen Debatte über künstliche Intelligenz. Abseits dieser Debatte zeigte Clemens Beckstein, das es einen Zusammenhang zwischen Wortspielerei und Computerspielerei gibt, den Hempel liefert.

Carl Gustav Hempel studierte Mathematik, Physik und Philosophie in Göttingen, Heidelberg, Wien und Berlin. Dort wurde er Mitglied der Gesellschaft für empirische Philosophie, bei deren Treffen Forscher wie Otto Neurath, Rudolf Carnap und David Hilbert teilnahmen. Leiter dieser Gesellschaft war Hempels prominenter Doktorvater Hans Reichenbach. Als dieser sich nach dem NSDAP-Wahlsieg 1933 in die Türkei rettete, schaffte es Hempel noch, eine Woche vor Hitlers Machtübernahme seine Promotion "Über den Gehalt von Wahrscheinlichkeitsaussagen" abzuliefern. Mit der Jüdin Eva Ahrends verheiratet, reiste Hempel zunächst nach Belgien aus, wo er bei dem Fabrikant und Privatgelehrten Paul Oppenheim Unterschlupf fand. Auf Vermittlung von Rudolf Carnap bekam Hempel ein Rockefeller-Stipendium, das die Emigration in die USA ermöglichte. Hier lehrte er in Chicago, New York und Yale, ehe er 1955 Professor in Princeton wurde. Dort blieb er bis zur Emeritierung im Jahre 1973, lehrte danach aber noch in Pittsburgh und Jerusalem, bis er 1985 seine akademische Laufbahn beendete. Nach dem Zweiten Weltkrieg weigerte sich Hempel über lange Jahre hinweg, deutschen Boden zu betreten, akzeptierte dann aber neben zahlreichen anderen Würdigungen 1991 den Ehrendoktor der Universität Konstanz. Carl Gustav Hempel starb am 9. November 1997 in Princeton. Heute nimmt Hempel in der Genealogie vieler Informatiker einen prominenten Platz ein. Manchmal taucht er sogar neben Linus Torvalds oder Richard Stallman in einem dem Positivismus gewidmeten Suchspiel auf. (Detlef Borchers) / (ciw)