Niedersachsens Innenminister will bis zu zwei Jahre Haft für Verbreitung von "Killerspielen"
Ein Verbot für die Herstellung und Verbreitung von "Killerspielen" könnte darauf abgestellt werden, dass ein wesentlicher Bestandteil der Spielehandlung "die aktive Teilnahme" der Spieler an der Tötung von Menschen oder menschenähnlichen Wesen sei.
Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hat am heutigen Dienstag in Hannover seine Pläne zur Ergänzung des § 131 im Strafgesetzbuch (StGB) konkretisiert. Der sogenannte Gewaltdarstellungsparagraf soll demnach auf "Killerspiele" ausgeweitet und die Verbreitung Gewalt verherrlichender Spiele künftig mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden. Schünemann geht damit deutlich über das bisherige Strafmaß hinaus. Bislang heißt es im § 131, dass mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft wird, wer Inhalte herstellt, verbreitet oder zugänglich macht, die "grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt".
In dem Entwurf Schünemanns heißt es, vom Paragrafen 131 würden nicht alle als schädlich anerkannten Spiele erfasst. Ein Verbot für die Herstellung und Verbreitung von Killerspielen könnte vor allem darauf abgestellt werden, dass ein wesentlicher Bestandteil der Spielehandlung "die aktive Teilnahme" der Spieler an der Tötung von Menschen oder menschenähnlichen Wesen sei. Danach müssten künftig sämtliche Shooter und selbst Aufbau- und Strategiespiele, die Kampfhandlungen etwa zur Eroberung oder Verteidigung von Territorien enthalten, unter Strafe gestellt werden. Hatte der Spiegel vor kurzem noch getitelt, die Deutschen müssten das Töten lernen, will Sportschütze Schünemann mit seiner Initiative ein politisches Signal setzen, dass Deutschland "Killerspiele" ächtet.
Schünemann macht sich auch für die Abschaffung der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) stark, eine von den Software-Herstellern unterstützte Einrichtung, die Altersfreigaben für Computerspiele erteilt. Nach Ansicht des Innenministers muss die Computerspiel-Überprüfung in "rein staatlicher Hand" liegen. Man müsse "das Wirrwarr beim Medienschutz" beenden, erklärte der Minister zuletzt. Wichtig sei zudem, dass auch Medienpädagogen und Kriminologen in die Prüfungen mit aufgenommen würden. Letztere beauftragte Schünemann im September, Nachweise für zu laxe Kontrollen und Alterseinstufungen durch die USK zu erbringen. Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. (KfN) ist derzeit dabei, 72 Computerspiele zu testen, die auf unterschiedliche Weise Gewaltdarstellungen beinhalten.
Aber selbst die Auftragnehmer halten das von Schünemann geforderte strafrechtliche Verbot für "Killerspiele" für wenig sinnvoll. Das Strafrecht müsse immer "ultima ratio" sein, heißt es in den Thesen, die KfN-Mitarbeiterin Theresia Höynck gemeinsam mit dem Leiter des KfN, Christian Pfeiffer, zu diesem Thema entwickelt hat. Zwar müsse mehr getan werden, damit Computerspiele mit extremer Gewalt nicht in die Hände von Kindern und Jugendlichen gelangen, den Weg über eine Strafrechtsänderung, wie Schünemann und auch der bayerische Innenminister Beckstein es wollen, hält das KfN aber nicht für wirksam und zudem für verfassungsrechtlich bedenklich.
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