Ultraschall aus der Ferne

Forscher an der Schweizer EPFL haben ein neuartiges Telemedizinsystem entwickelt, das auch komplexere Untersuchungen zulässt.

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Von
  • David Zax

Forscher an der Schweizer EPFL haben ein neuartiges Telemedizinsystem entwickelt, das auch komplexere Untersuchungen zulässt.

Das Feld der Telemedizin entwickelt sich rasant. Manches Projekt beeindruckt mit seinen Möglichkeiten, wenn etwa Ärzte einer Operation aus Tausenden Kilometern Entfernung folgen können, um dem Chirurgen vor Ort mit ihrem Wissen zu attestieren. Andere Projekte riechen nach "Vaporware", etwa im Bereich elektronischer Patientenakten, auf die per Internet zugegriffen werden soll und bei denen es oft um kaum mehr als das Hin- und Hermailen von Laborergebnissen geht.

Ein neues Projekt an der Ecole Polytechnique Federale de Lausanne (EPFL) zeigt nun, dass es bei der Telemedizin auch jetzt noch neue Projekte mit einem gewissen "Wow"-Faktor gibt. Die Forscher um Jean-Philippe Thiran aus dem Labor für Signalverarbeitungssysteme haben einen neuartigen Ultraschall-Apparat entwickelt, der auch aus der Ferne bedient werden kann.

Man stelle sich dazu folgendes Szenario vor: Ein junger Assistenzarzt ist in der Nachtschicht an einem ländlichen Krankenhaus mit einem Patienten konfrontiert, der schwerwiegende neurologische Störungen zeigt. Eigentlich müsste nun ein Sonogramm der betroffenen Nervenregion gemacht werden, doch leider fehlt unserem Doktor das notwendige Fachwissen, die Bilder auch auszuwerten. Ein Experte muss her, doch der sitzt Hunderte Kilometer entfernt in einer Stadtklinik.

Dabei reicht es nicht, einfach ein paar Aufnahmen zu schicken. Je nach Bild auf dem Ultraschallgerät muss die Sonde in den passenden Körperbereich bewegt werden. "Mit einer normalen Sonde versteht man die Bilder nur dann, wenn man auch weiß, wo sie sich genau befindet", erläutert Thiran. Ohne dieses Wissen seien die Aufnahmen wertlos. Man benötigt stets beides: Positionsangabe und Sonogramm.

Aus diesem Grund hilft die klassische Telemedizin hier nicht weiter. Thiran und sein Team statteten die Ultraschall-Messsonde deshalb zusätzlich mit einem Bewegungssensor aus, der nicht größer ist als eine Kirsche. Ergänzt wird diese Technik mit einem optischen Feedback-System, das aus zwei Infrarotkameras besteht, die die Sonde laufend filmen, während der Nicht-Fachmann sie über den Körper bewegt.

Der über das Internet zugeschaltete Experte bekommt dann die Ultraschallbilder zusammen mit Positionsangaben übermittelt. Eine Software wendet diese auf ein 3-D-Modell des Körpers an, so dass stets eine genaue Übersicht erhalten bleibt. Per Mausklick kann der Experte außerdem Bereiche markieren, die als Nächstes abgetastet werden sollen.

Thiran und sein Team haben ihr Gerät mittlerweile am Universitätskrankenhaus Lausanne und einem weiteren Spital in Besancon testen können. In Besancon will nun auch ein Start-up die Idee zu einem Produkt machen. Der Plan: Das Ultraschall-System soll Teil einer bestehenden Telemedizin-Diagnostikeinheit werden, die gerade ausentwickelt wird. Die Marktreife könnte bereits in wenigen Monaten erreicht sein. (bsc)