Neue Top Level Domains: Aufbruchstimmung im Domain-Markt

Nachdem die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) die Einführung neuer Top Level Domains beschlossen hat, können Startups wie dotBERLIN aufatmen. Aus Deutschland soll es rund 15 Bewerber für eine neue TLD geben.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 39 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Monika Ermert

Aufatmen bei dotBerlin, nachdem die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) die Einführung neuer Top Level Domains (TLDs) beschlossen hat. Ab dem 12. Januar 2012 sollen endlich bei der ICANN Bewerbungen für neue Adresszonen abgegeben werden können, die nahezu beliebige Namen als Endungen benutzen. Zwar werden erst 2013 erfolgreiche Bewerber das komplizierte Verfahren durchlaufen haben, dennoch zeigten sich dotBERLIN-Geschäftsführer Dirk Krischenowski und Unternehmenssprecher Johannes Lenz-Hawliczek über den nach dem Sperrfeuer von verschiedenem Regierungen überraschend deutlichen Votum des ICANN-Vorstandes zufrieden.

Oliver Süme, Vorstand des Verbands der deutschen Internetwirtschaft eco, schätzt die Zahl der fest entschlossenen Bewerber aus Deutschland derzeit auf 15. Bekannt sind neben dem Vorreiter dotBERLIN weitere Städtedomain-Bewerber für .hamburg und .koeln sowie Bewerbungen für die Bundesländer .bayern, .saarland und .nrw. Das dotberlin-Team steckt zusätzlich hinter der generischen TLD-Bewerbung .hotel. Bei den generischen TLDs dürfte die Konkurrenz deutlich härter ausfallen als bei den Geo-Namen, für die die jeweiligen Städte oder Länder jeweils Unbedenklichkeitsbescheinigungen erteilen müssen. Es komme dabei letztlich auf das Konzept der Bewerbung an, so eco und dotBERLIN übereinstimmend.

Dazu, wie viele neue TLDs im ersten Bewerbungsfenster zwischen dem 12. Januar bis 12. April 2012 insgesamt angemeldet werden, mochten sich ICANN-Verwaltungsschef Rod Beckstrom und der scheidende Präsident des Vorstands, Peter Dengate Thrush, nicht äußern. Süme geht für den deutschen Markt davon aus, dass nun weitere Bewerber hinzukommen, sowohl aus dem Bereich Städte als auch Unternehmen und Marken. Von mehreren hundert bis tausend möglichen Bewerbungen in Runde eins ist aktuell die Rede.

Die österreichische Nic.at, Registry für at-Domains, die im Registry-Backend-Geschäft neben den großen Registries wie VeriSign oder Afilias mitmischen möchte, freute sich, dass sie nach .hamburg auch den Zuschlag für den technischen Betrieb von .berlin erhalten hat. Geschäftsführer Richard Wein bedauerte aber, "dass in Österreich die Entwicklung verschlafen wird". Keine Stadt oder Region dort habe echtes Interesse an einer Bewerbung gezeigt. "Wer jetzt nicht dabei ist, muss womöglich jahrelang auf das nächste Bewerbungsfenster warten – so es überhaupt kommt", warnte Wein. Schweizer Interessierte informierte unmittelbar nach der Verabschiedung in Singapur gleich das dortige Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) über den neuesten Stand der Dinge.

Ein Kommentar des deutschen Bundeswirtschaftsministeriums, dessen Vertreter sich am Wochenende noch kritisch zu den von der ICANN vorgesehenen Markenschutzregeln geäußert hatte, steht derzeit noch aus, ebenso ein Kommentar der TLD-skeptischen EU-Kommission. [Update: Mittlerweile hat auch das Bundeswirtschaftsministerium Stellung zu dem ICANN-Beschluss genommen: "Bei der heutigen Entscheidung von ICANN handelt es sich um einen wichtigen Schritt im Internet. Mit ihr verbindet sich die Chance auf mehr Wettbewerb im Bereich der Domain-Registrierung – und damit an einer ganz entscheidenden Stelle des Netzes. Besonders wichtig für Deutschland und die EU sind ein effektiver Schutz von Markennamen und von regionalen Bezeichnungen sowie die Praktikabilität für Unternehmen und Nutzer. Dem wurde mit dem jetzt vorliegenden Ergebnis weitgehend Rechnung getragen. Es wird darauf ankommen, dass diese Gesichtspunkte auch im weiteren praktischen Verfahren bei der ICANN eine entsprechende Rolle spielen."]

Der Leiter des Forums "Names & Numbers" beim eco, Thomas Rickert, zeigte sich auf Anfrage von heise online verwundert über die Bedenken der Europäer. Die ICANN sei beim Benutzungsnachweis für Marken bemüht gewesen, eine Ungleichbehandlung zu vermeiden. Die EU habe keinen besseren Lösungsansatz unterbreiten wollen oder können. Kartellrechtlich sei durch den ICANN-Ansatz eigentlich nur die generelle gesetzliche Situation wiederhergestellt worden. "Wir verstehen nicht recht, was die Regierungen dagegen haben, dass die bestehenden gesetzlichen Regelungen greifen", sagte Rickert.

Der ehemalige ICANN-Vorstandschef Vinton Cerf merkte kürzlich in einem Gespräch mit heise online an, er sehe den Bedarf für nicht-englische TLDs und hege auch Sympathie für die Geo-TLDs. Eine große Zahl neuer generischer TLDs könne aber Endnutzer verwirren. Für Verwirrung dürften erst einmal die bereits kursierenden Angbote für "Vor-Reservierungen" für Domains unter .news, .eco, .futbol, .football oder .deal – vorerst wohl kein empfehlenswerter Deal.

Siehe dazu auch:

(anw)