Konsens in Brüssel: Websperren bleiben optional

Verhandlungsführer der EU-Gremien erzielten einen Kompromiss bei der Richtlinie zur besseren Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs an Kindern. Mitgliedsstaaten dürfen demnach Blockaden gegen Kinderporno-Sites einsetzen, werden aber nicht dazu gezwungen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 34 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Verhandlungsführer der EU-Gremien haben einen Kompromiss im Streit um die Richtlinie zur besseren Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs an Kindern erzielt. Mitgliedsstaaten dürfen demnach Webseiten mit kinderpornographischen Inhalten unter bestimmten Bedingungen sperren lassen, werden aber nicht dazu gezwungen. Auf diese Formel einigten sich Vertreter des Rates, der Kommission und des Parlaments im Rahmen ihrer sogenannten Trilog-Gespräche laut einem Bericht der "European Digital Rights"-Initaitive (EDRi). Der überarbeitete Text muss noch vom Innenausschuss und vom Plenum der Bürgervertretung sowie im Anschluss vom Rat offiziell bestätigt werden. Da alle Seiten das Normenwerk vom Tisch haben wollen, ist aber nicht davon auszugehen, dass das Paket erneut aufgeschnürt wird.

EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström und die Vertreter der Regierungen in den Mitgliedsstaaten hatten sich zunächst für verbindliche Websperren ausgesprochen. Deutschland konnte dabei seine Maxime "Löschen statt Sperren" nicht durchsetzen. Die Innenpolitiker des EU-Parlaments stimmten dagegen in ihrer ersten Befassung mit dem Kommissionspapier im Februar dafür, dass die Mitgliedsstaaten die Entfernung von Missbrauchsbildern im Netz sowie eine stärkere Kooperation mit Drittstaaten beim Löschen des inkriminierten Materials gesetzlich vorschreiben sollten. Blockademaßnahmen wollten die Abgeordneten nur zulassen, falls diese Maßnahmen nicht greifen sollten. Bei entsprechenden Regeln drängte der Innenausschuss darauf, dass diese "im Einklang mit der nationalen Gesetzgebung" stünden und in einem "transparenten Verfahren" mit "ausreichenden Schutzbestimmungen" versehen würden.

Aus den harten Verhandlungen der vergangenen Monate ist nun eine Formulierung herausgekommen, wonach die Mitgliedsstaaten die "notwendigen Maßnahmen zur raschen Entfernung kinderpornographischer Webseiten" ergreifen sollen, solange sie in ihren eigenen Territorien vorgehalten werden. Bei vergleichbaren Angeboten in Gebieten außerhalb der EU sollen sie das Löschen allein "in Angriff" nehmen, was die ursprünglichen Anforderungen der Parlamentarier verwässert. In einem neuen Erläuterungsgrund heißt es genauso unkonkret, dass die Mitgliedsstaaten "ihr Bestes" tun sollten, um die Entfernung von Missbrauchsbildern in Kooperation mit Drittländern zu erreichen. Der Wunsch der Bürgervertreter, dass im Kampf gegen Kinderpornographie auch die Identifizierung der Täter und die Strafverfolgung hohe Priorität haben müsse, taucht nicht mehr auf.

Abgeschwächt wurden auch die Auflagen des Innenausschusses für Websperren. Der entsprechende Paragraph hält zwar noch fest, dass Blockademaßnahmen in "transparenten Verfahren" festgeschrieben und "ausreichende Schutzbestimmungen" unter Einschluss der Möglichkeit zur gerichtlichen Überprüfung aufweisen müssen. Ferner müsse ein ausreichender Grad an Rechtssicherheit sowie die Vereinbarkeit mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Grundrechtecharta sichergestellt werden. In der Gesetzesbegründung werden jedoch ausdrücklich auch "freiwillige Aktionen" der Internetwirtschaft für Websperren als machbar bezeichnet. Länder wie Großbritannien oder Schweden, die bereits auf entsprechende Selbstkontrollmechanismen setzen, können diese also prinzipiell beibehalten. Beim Rechtsschutz für Nutzer und Anbieter müssen sie aber gegebenenfalls nachbessern. (jk)