Digitaler Behördenfunk: Lenkungsausschuss entzieht DB-Telematik Auftrag

Der geplante Aufbau eines digitalen Behördenfunknetzes in Deutschland gerät immer mehr zur Posse. Wegen Überteuerung wurde jetzt der Bahntochter DB-Telematik der Auftrag zur Errichtung eines Rumpfnetzes entzogen. Die Betroffenen sind verbittert.

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Von
  • Detlef Borchers

Die Verhandlungen zwischen dem gemeinsamen Lenkungsausschusss von Bund und Ländern mit der DB-Telematik über die Errichtung eines "Rumpfnetzes" für den digitalen Behördenfunk sind erfolglos zu Ende gegangen. Der Lenkungsausschuss entzog der Bahntochter DB-Telematik den Auftrag, weil das letzte Angebot von 5,1 Milliarden Euro über eine Zeit von 15 Jahren als überteuert bewertet wurde. Das Ende kommt nicht überraschend. Bereits am vergangenen Freitag hatte das Land Brandenburg signalisiert, dass man das Angebot ablehnt und lieber ein eigenes Funknetz errichten will. Am Montag folgte Nordrhein-Westfalen. Danach verlief ein Spitzengespräch zwischen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und Bahnchef Hartmut Mehdorn ergebnislos.

Die DB-Telematik hatte den Auftrag für ein Rumpfnetz ohne Ausschreibung vom damaligen Innenminister Otto Schily bekommen. Sie gab zunächst eine Offerte über 4,5 Milliarden Euro ab, wollte aber später 6 Milliarden Euro, bis sich Bahnchef Mehdorn einschaltete und das letzte Angebot auf 5,1 Milliarden Euro einfror. Auch diese Summe erschien den Fachleuten von Bund und Ländern als viel zu teuer, weil darin nicht die Anschaffungskosten für Funkgeräte und Leitstellen enthalten waren, die die Länder jeweils selber finanzieren sollen.

Nun will der Lenkungsausschuss ohne eine aufwendige Neuausschreibung bis zum 31. März eine Alternative finden, damit das Rumpfnetz wie zuletzt geplant bis zum Jahre 2010 eingerichtet ist. Eine von Insidern hoch gehandelte Lösung geht davon aus, dass die Deutsche Telekom, die mit ihrer Tochter T-Systems schon als Subunternehmer beim Projekt der DB-Telematik dabei war, eine wichtige Rolle spielen wird. Ursprünglich gehörte T-Systems zusammen mit Motorala und R&S Bick zu einem Konsortium, dass sich um die Endstrecken bewarb. Hier erhielt jedoch das Konsortium von EADS Networks und Siemens den Zuschlag, womit sich die zweite von Insidern genannte Lösung abzeichnet. Sie geht davon aus, dass EADS den Auftrag für das Rumpfnetz stemmt.

Mit der Absage an DB-Telematik einigte sich der Lenkungsausschuss darauf, dass der TETRA-Standard festgeschrieben wird, wenn einzelne Bundesländer einen eigenen Weg zur Errichtung eines digitalen Behördenfunks einschlagen sollten. Auf diese Weise ist die bundeslandübergreifende Kommunikation von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten gewährleistet.

Die ersten Reaktionen auf die Entscheidung des Ausschusses sind verbittert. "Deutschland darf nun noch länger den zweifelhaften Ruhm auskosten, neben Albanien das einzige Land Europas zu sein, in dem die Polizei noch mit museumsreifer Funk-Technik arbeiten muss", erklärte Konrad Freiberg, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Er verglich in seiner Stellungnahme das Projekt mit der katastrophalen Einführung des Polizeisystems Inpol-Neu und dem Fehlstart bei der LKW-Maut. Für die CDU meldete sich der Vizefraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach und charakterisierte den fortdauernden Nichtausbau als "Blamage für die Sicherheitspolitik und den Industriestandort Deutschland".

Die FDP ist bislang die einzige Partei, die die komplette Neuausschreibung des Gesamtprojektes fordert. Wie verquer die Fronten gehen, mag man an der Rede von Bundesinnenminister Schäuble über die Gesamtstaatliche Sicherheit sehen. In ihr kommen die Nöte und Sorgen der Einsatzkräfte vor Ort nicht vor. Bis auf weiteres werden Einsätze mit moderner Digitalfunktechnik Nischeneinsätze sein, etwa dann, wenn der nächste Castor-Transport ansteht. (Detlef Borchers) / (pmz)