Erneut Debatte um Verbot proprietärer Linux-Treiber

Einige bekannte Linux-Entwickler wollen den Einsatz von proprietären Kernel-Modulen unterbinden – Linus Torvalds stellt sich den Bestrebungen jedoch bisher entgegen.

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Von
  • Thorsten Leemhuis

Die Linux-Entwickler diskutieren derzeit, das Laden von nicht zur GPL-Lizenz kompatiblen Kernel-Modulen in ab Anfang 2008 freigegebenen Kerneln zu unterbinden. Treiber wie etwa die Kernel-Bestandteile der Hersteller-Grafikkartentreiber von ATI oder Nvidia würden dann nicht mehr funktionieren. Bisher operieren sie in einem "rechtlich grauen Bereich"; einige bekannte Kernel-Entwickler sind der Ansicht, die Treiber verletzten ihr Copyright am Kernel.

Hinter der Idee, nicht-GPL-Module zu unterbinden, stehen unter anderem wichtige Linux-Entwickler wie Martin Bligh, Andrew Morton und Greg Kroah-Hartman. Der an den entscheidenden Schalthebeln sitzende Linus Torvalds stellt sich den Bestrebungen jedoch entgegen: Er vergleicht die Situation mit dem Schutz von Musik und verweist erstmal auf die Distributionen.

Die Diskussion entstand, nachdem Greg Kroah-Hartman die vor einigen Monaten vorgestellte Lösung zum Auslagern von proprietären Treibern in den Userspace in einen Patch aufnahm und Torvalds bat, diesen in den offiziellen Kernel aufzunehmen. Torvalds allerdings kritisierte die technische Implementation der Erweiterung insbesondere rund um die Behandlung der IRQs mit deutlichen Worten. In der darauf folgenden Diskussion um Sinn oder Unsinn von Treibern im Userspace für Embedded- oder Grafik-Hardware schlug Martin Bligh schließlich vor, proprietäre Module zu verbannen.

Diese Module sind einigen Kernel-Entwicklern schon lange ein Dorn im Auge – schon vor gut einem Jahr versuchte Kernel-Entwickler Arjan van de Ven in einem hypothetischen Horrorszenario die Gefahren von Closed-Source-Treibern oder stabilen ABIs und APIs für Linux aufzuzeigen. Kurzzeitig hatte sich im November vergangenen Jahres sogar ein als Warnschuss an Hersteller von Closed-Source-Treibern für Linux gedachter Patch von Greg Kroah-Hartman in dem von Andrew Morton gepflegten mm-Entwicklerkernel befunden. Er unterband den Einsatz von proprietären Modulen.

Der in der Kernel-Entwickler-Hierarchie wohl direkt hinter Torvalds stehende Morton war es jetzt auch, der auf die Mail von Bligh reagierte und vorschlug, die umstrittenen proprietären Module noch ein Jahr zuzulassen. Danach solle der Kernel nur noch zur GPL kompatible Module laden. Das würde Entwickler bei der Beschaffung von Spezifikationen zum Schreiben von GPL-Treibern entlasten und Unternehmen zur Freigabe von Treibern unter der GPL bewegen. Kroah-Hartman stellte wenig später einen Patch vor, der erstmal warnt, dass sich proprietäre Treiber ab Anfang 2008 voraussichtlich nicht mehr laden lassen. Kurze Zeit später gab es noch eine Überarbeitung, die klarstellt, dass dies erst für nach Anfang 2008 freigegebenen Kernel gelten soll. In dem Zusammenhang schlug Kroah-Hartman vor, den Kernel zusätzlich mit einem Reim abzusichern – das soll sich vor Gericht wohl einfacher durchsetzen lassen.

Torvalds weist die Idee in einer länglichen Mail als kurzsichtig zurück. Das Ganze würde zu einer Art von Treibern im Userspace führen, die seiner Ansicht nach auch die Linux-Entwickler nicht wollen. Gleichzeitig vergleicht Torvalds detailliert den Kernel und sein Copyright mit Musik und deren Schutz. Es gebe einen Unterschied zwischen Kopieren und Benutzen; Leute, die den Kernel-Quellcode direkt verwenden, sollten sich besser an das Copyright halten. Anwender hingegen, die nur einen Kernel benutzen wollen, sollten nicht durch Regeln der Kernel-Entwickler eingeschränkt werden. Der Linux-Vater macht weiterhin deutlich, dass er nicht als erster Code aufnehmen wolle, der das Laden von Nicht-GPL-Treibern unterbindet. Er schlägt vor, eine solche Erweiterung zuerst in Ubuntu, (Open)Suse, Red Hat Enterprise Linux und Fedora zu integrieren, bevor sie im offiziellen Kernel landet.

Die Kernel der Distributionen von Red Hat und Fedora setzen von jeher nur auf Open Source; proprietäre Anwendungen sind nur über Add-on-Paketdepots oder Zusatzmedien erhältlich. Novell fährt bei den Suse-Distributionen seit Anfang des Jahres einen ähnlichen Kurs. Ubuntu hingegen bewegt sich gerade in die andere Richtung: Die nächste Version soll Planungen zufolge die proprietäre Grafiktreiber von ATI und Nvidia in der Standard-Installation aktivieren. (thl)