Google sucht Auswege aus extremistischer Gewalt

Auf einer Konferenz in Dublin bringt die neue Denkfabrik des Suchmaschinenriesen Experten mit Aussteigern und Opfern extremistischer Gruppen zusammen. Sie sollen gemeinsam der Frage nachgehen, wie Technik bei der Abkehr von Gewalt helfen kann.

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Der US-Internetkonzern Google will mit einer neuen Denkfabrik gesellschaftliche Probleme aus technischer Perspektive angehen. Der erste öffentliche Auftritt des "Google Ideas" genannten Projekts findet seit dem heutigen Montag im irischen Dublin statt. Auf dem Gipfeltreffen gegen gewalttätigen Extremismus (Summit Against Violent Extremism) kommen noch bis Mittwoch Terror-, Technik- und andere Experten mit ehemaligen Extremisten und Opfern von extremistischer Gewalt zusammen. Der Kongress wird von Google Ideas, das sich selbst als "Think/Do-Tank" bezeichnet, zusammen mit der US-Denkfabrik Council on Foreign Relations und dem Tribeca Film Festival organisiert.

Das erst Ende vergangenen Jahres ins Leben gerufene "Google Ideas" soll nach dem Selbstverständnis des Internetkonzerns mehr als eine Denkfabrik sein und Lösungen erarbeiten und anbieten. Mit der Leitung des Projekts hat Google den 29-jährigen Terror-Experten Jared Cohen betraut, der im vergangenen Herbst vom US-Außenministerium zum Suchmaschinenriesen geholt worden war. "Technik kann eine Rolle bei jedem Problem spielen", schreibt Cohen in Googles europäischem Politikblog, "wir wollen sicherstellen, dass sie auch bei jeder Lösung mitspielt." Dabei wolle man "nicht auf Nummer Sicher gehen" und auch die heikelsten Probleme angehen.

Auf dem Kongress versammelt Google Aussteiger aus verschiedenen extremistischen Gruppen: Ehemalige Gangmitglieder sind ebenso dabei wie Aussteiger aus der Neonazi-Szene sowie ehemalige Jihadisten, kolumbianische Farc-Guerilleros und IRA-Mitglieder. Die rund 80 "Ehemaligen" haben der Gewalt abgeschworen und arbeiten nun in verschiedenen, von Regierungen anerkannten Organisationen gegen den Extremismus, schreibt Cohen. Sie treffen neben Wissenschaftlern, Diplomaten und Vertretern zivilgesellschaftlicher Organisationen auch auf Opfer extremistischer Gewalt – etwa die Tochter einer Frau, die in einem von islamistischen Terroristen ins New Yorker World Trade Center gesteuerten Flugzeug am 11. September 2001 ums Leben kam.

Auf dem Kongress in Dublin sollen unter anderen Muster analysiert werden, wie Jugendliche in extremistische Organisationen geraten, und wie man sie davor bewahren kann – etwa mit technischen Mitteln. "Extremisten nutzen die neuen Internet-Techniken, um ihre Botschaft zu verbreiten", meint Cohen. "Wir glauben, dass Technik auch eine Lösung sein und bei der Abkehr von Gewalt helfen kann." Auf dem Kongress soll Extremismus als ein "universelles Problem" betrachtet werden, sagte Cohen der Washington Post. Mit den Vertretern der verschiedensten Formen des gewalttätigen Extremismus könne man dem gemeinsamen Nenner über kulturelle, ideologische, politische, religiöse und geographische Grenzen hinaus nachspüren.

Googles Projekt stößt unter Experten allerdings nicht nur auf Zustimmung. Zwar gebe es Gemeinsamkeiten bei den Motiven, sich einer extremistischen Gruppe anzuschließen, Lösungen müssten aber auf das betreffende Land und den Kulturkreis zugeschnitten werden, sagte Nahost-Experte Christopher Boucek der Washington Post. Man könne Extremisten vielleicht zur Abkehr von Gewalt bringen, aber nicht umerziehen. "Aus einem Hardcore-Jihadisten machen Sie nie einen Demokraten. Das wird einfach nicht passieren." (vbr)