Brandenburg erhält deutlich verschärftes Polizeigesetz

Der Brandenburger Landtag hat mit den Stimmen von Schwarz-Rot eine Novelle verabschiedet, die Ermittlern neue Befugnisse zur Handy-Ortung, präventiven Wohnraumüberwachung oder Kennzeichen-Fahndung in die Hand gibt.

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Der Brandenburger Landtag hat mit den Stimmen der schwarz-roten Regierungskoalition am gestrigen Donnerstag eine heftig umstrittene Novelle des Polizeigesetzes verabschiedet. Sie gibt Ermittlern zahlreiche neue Befugnisse in die Hand. So dürfen die Gesetzeshüter in der Mark künftig den großen Lauschangriff in Form der akustischen Wohnraumüberwachung präventiv und bei "Gefahr im Verzug" ohne richterliche Genehmigung durchführen. Auch sonst genügt hier der Segen eines einzigen Amtsrichters, während bislang die Erlaubnis von mehreren Landesrichtern erforderlich war. Ohne richterliche Genehmigung darf die Polizei ferner künftig Handys zur "Gefahrenabwehr" mit dem IMSI-Catcher orten. Generell darf sie ohne Anfangsverdacht auch Telekommunikationsvorgänge verhindern oder unterbrechen, was frühzeitig den Branchenverband Bitkom auf den Plan gebracht hatte.

Weiter wird die an vier Jahren über fünf Jahre hinweg erprobte Videoüberwachung umfassend gesetzlich festgeschrieben und ausgeweitet. Sie wird an allen öffentlich zugänglichen, besonders gefährdeten Orten zulässig. Die Aufzeichnungen dürfen bis zu 48 Stunden gespeichert werden. Dazu kommt eine "anlassbezogene Kennzeichenfahndung". Sie soll es in einer akuten Bedrohungslage ermöglichen, den Durchgangsverkehr schnell und automatisch auf gesuchte Kfz-Nummernschilder hin zu kontrollieren. Konkret sollen nach Informationen der Welt an Brandenburgs Autobahnbrücken Spezialkameras angebracht werden, welche die Kennzeichen aller vorbeifahrenden Autos erfassen. Die Daten sollen dann sofort mit denen gesuchter Fahrzeuge abgeglichen werden.

Die geplante Ausweitung der polizeilichen Überwachungsmöglichkeiten war im Vorfeld auf große Proteste gestoßen. Der Anwaltsverein hatte bei einer Anhörung im November gewarnt, die geplanten Regelungen zum Lauschangriff und zur "vorbeugenden Telefonüberwachung" seien "schlicht verfassungswidrig". Brandenburg übernehme eine Regelung aus Niedersachsen, die das Bundesverfassungsgericht bereits 2005 kassiert habe. Der Innenexperte der Fraktion der Linken im Landtag, Hans-Jürgen Scharfenberg, gab vergangene Woche zu bedenken, dass Menschen bei der Verabschiedung des Gesetzes künftig Beobachtung und Abhörmaßnahmen ausgesetzt seien, "egal, ob sie durch ihr Handeln dazu irgendeinen Anlass gegeben haben oder nicht." Auch die brandenburgische Datenschutzbeauftragte Dagmar Hartge hatte das Vorhaben im Lauf der Woche noch einmal scharf kritisiert.

Schon der Kabinettsbeschluss im Sommer war verzögert worden, da Finanzminister Rainer Speer (SPD) zunächst seine "liberalen Grundsätze" im Änderungsentwurf nicht mehr gewahrt sah. Die Mehrheit in der SPD gab sich später aber damit zufrieden, dass zwei Regelungen auf Probe erfolgen. So sind die Handy-Ortung sowie die Kennzeichenüberwachung zunächst auf zwei Jahre befristet. Nichtsdestoweniger lehnten bei der gestrigen Schlussabstimmung die SPD-Abgeordneten Tina Fischer, Jens Klocksin und Andreas Kuhnert die Reformvorlage als unangemessen ab. Ihre Parteikollegen Martina Münch und Esther Schröder enthielten sich.

Die Linken und die rechtsextreme DVU stimmten gegen die Gesetzesänderung. Scharfenberg warf der Regierung Populismus vor, das sie mit der "subjektiven Kriminalitätsfurcht" der Bürger Politik mache. Der Preis sei eine "kaum umzukehrende Aushöhlung der Grundrechte". Die rot-schwarze Koalition dehne ohne Not die Überwachungsmöglichkeiten aus, denn die Kriminalität habe in Brandenburg während der vergangenen zehn Jahre um etwa 30 Prozent abgenommen. Eine Auswertung des Videoüberwachungsprojekts habe jedoch ergeben, dass die Kriminalität in angrenzenden Bereichen gestiegen sei. Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) betonte dagegen, die Sicherheit der Bürger müsse gewährleistet werden. Das Gesetz sei rechtsstaatlich einwandfrei und vor allen Maßnahmen gebe es hohe juristische Hürden. (Stefan Krempl) / (jk)