Die Woche: Die Androiden, die ich rief

Götterdämmerung bei den Smartphone-Herstellern: Ein Mobilfunkanbieter hat ein eigenes Android-Update veröffentlicht, samt Anleitung und Garantieübernahme bei Defekten. Möglich wurde dies erst duch den Einsatz von Open Source auf den Smartphones.

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Android ist für Hersteller eine tolle Sache. Da investieren Google, zig andere Firmen und ein Heer freier Entwickler viel Arbeit in ein Smartphone-Betriebssystem, das man dann nur noch ein wenig zurechtfeilen muss, bevor man ein neues Gerät auf den Markt werfen kann. Dabei behält man als Hersteller alle Fäden in der Hand; selbst seinen eigenen Desktop mit Registrierungszwang, so wie Motorola dies mit Motoblur vorgemacht hat, kann man oben aufpfropfen.

Und damit der Kunde hübsch bei der Stange bleibt, sorgt man dafür, dass sich nur Original-Updates einspielen lassen. Neue Versionen liefert man nur im Rahmen der Produktpflege dann und wann, oder auch gar nicht. Allerdings finden Hacker immer wieder irgendwelche Löcher, durch die sie die Update-Sperren aushebeln und doch neuere Android-Versionen aufspielen können. Damit Otto Normalanwender gar nicht erst auf die Idee kommt, solche so genannten Custom ROMs einzuspielen, droht man ihm generell mit dem Verlust aller Garantieansprüche.

Doch jetzt ist die Götterdämmerung für die Hersteller angebrochen: Der Mobilfunkanbieter Cincinnati Bell hat sich erdreistet, für das Motorola Milestone XT720 ein selbst gebautes Update auf Android 2.2 zu veröffentlichen – inklusive Anleitung, wie man die Hersteller-Sperren überwindet, und mit dem Versprechen, zusätzlich die Garantie für defekte Geräte zu übernehmen.

So weit kam es nur, weil sich Motorola beharrlich weigerte, ein Update auf Android 2.2 für das XT720 bereitzustellen. Jetzt sitzt Motorola quasi vor der Tür: Was der Hersteller nicht liefern wollte, hat sich Cincinnati Bell kurzerhand anderweitig besorgt – und dank Open Source hatte der Provider auch die Möglichkeit und Rechte dazu.

Cincinnati Bell hat einen Präzedenzfall geschaffen, indem sich der Provider in den angestammten Hoheitsbereich der Gerätehersteller eingemischt hat. Es bleibt abzuwarten, ob dies ein Einzelfall bleibt oder ob es sich nicht vielmehr um einen Dammbruch handelt – und künftig die Provider öfter das Ruder in die Hand nehmen und ihre eigenen Android-Versionen zusammenstöpseln.

Der Vorteil, dass sich Open-Source-Software wie Android leicht auf verschiedene Hardware portieren lässt, birgt eben auch die Gefahr, dass dies ein anderer tut. Nur werden Provider, die ihre Android-Firmwares selbst entwickeln, kaum dafür sorgen, dass sich die Kunden weiterhin direkt beim Gerätehersteller anmelden müssen oder der Hersteller wie im Fall Motorola mit Motoblur den Kunden über eigene Dienste an sich bindet. Schließlich wollen die Provider solche Dienste selbst anbieten, denn mit den Telefongebühren allein ist kaum mehr Geld zu machen. (mid) (mid)