SMD-Löten in der Pizzapfanne

Für Muster und Nullserien einen preiswerten Bestücker zu finden, ist mehr oder weniger Glückssache: Die meisten Dienstleister nehmen so etwas nur in Erwartung einer größeren Serie an. Das Handlöten von SMD-Bauteilen ist zwar durchaus möglich, aber eine Herausforderung an Geduld, Geschick und Lötwerkzeug. Unsere praxisnahe Lösung verlötet ganze Platinen auf einmal und kommt mit Hausmitteln aus.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Carsten Meyer
Auf dem Flohmarkt erstand ich für 10 Euro eine so genannte Pizzapfanne, im Prinzip eine elektrische Herdplatte mit aufgesetztem Teflon-beschichetem Flachtopf und Glasdeckel. Ein Thermostat regelt die Temperatur, werksseitig sind maximal 250°C vorgesehen. Der erste Versuch, eine auszuweidende Schrottplatine darin bis zum Schmelzen des Zinns zu erhitzen, scheiterte: Mein für 400°C geeigneter Temperaturfühler zeigte bei geschlossenem Deckel nur rund 210°C Innentemperatur an. Die Pfannenoberfläche dagegen wurde sehr ungleichmäßig und an einigen Stellen über 300°C heiß. Hier verschmurgelte das Platinenmaterial, während an anderen Stellen nicht einmal das Lötzinn schmolz.

Zur gleichmäßigen Wärmeverteilung kam ich auf die Idee, eine Lage Quarzsand (Bastelgeschäft, für "Sandbilder" gedacht) aufzustreuen, glattzustreichen und die Ausschlacht-Platine plan aufzulegen. Fehlanzeige: Durch den Glasdeckel entwich zuviel Infrarotes, die Temperatur im Sand erreichte nur knapp 220°C. Zum Glück kann man bei meinem Exemplar den Termostaten leicht tunen: Unter dem Skalenaufkleber befindet sich eine mit Sicherungslack versiegelte Stellschraube, die man mit einem sehr kleinen Schraubendreher so weit löst, bis der Thermostat wieder anzieht.

Bei meinen Experimenten stelle sich eine Sandtemperatur von 330°C 270°C als optimal heraus: Nach wenigen Minuten war das Lötzinn der Versuchsplatine geschmolzen, und ich konnte die aufgelöteten Bauteile zur Wiederverwendung mit einer Pinzette abzupfen. Durch die abgestrahlte Wärme, was die Oberflächentemperatur der Platine auf unkritischen Werten hält, blieben sogar die Plastik-Gehäuse der enthaltenen Miniatur-Relais in Form. Zu lange darf der Glasdeckel allerdings nicht offen bleiben, sonst ist der Temperaturverlust zu hoch und das Lötzinn wird wieder fest.

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Hilfsmittel

Unsere Hausmittel: Pizzapfanne, Deko-Sand aus dem Bastelbedarf, Multimeter mit Temperaturfühler bis 400 °C.

Was in diese Richtung funktioniert, sollte auch in der anderen klappen – und in der Tat war das Ergebnis vielversprechend. Die Platine wird zunächst mit den SMD-Bauteilen bevölkert; dazu verteilt man die Lötpaste aus der Spritze klecksweise auf die Pads (eine stecknadelkopfgroße Menge genügt) und setzt dann mit einer Pinzette das Kleinteil in den weichen Brei. Dort klebt es einigermaßen rüttelsicher, allerdings wischt man leicht benachbarte Bauteile aus ihrer Position. Also von innen nach außen vorarbeiten und Kaffekonsum einschränken. Als Lötpaste sollten Sie tunlichst keine bleifreie Variante wählen: Bleifreies Lötzinn hat einen höheren Schmelzpunkt und fließt nicht so schön. Bei Selbstgebautem ist Verbleites keine Schande!

Während sich Bauteile mit wenigen oder halbwegs breiten Pads auf diese Weise leicht bestücken lassen, empfiehlt sich bei hochpoligen Bauteilen und solchen mit einem Pin-Abstand unter 0,8 mm wie dem FPGA im Bild folgende Vorgehensweise: Bauteil auf die Pads setzen, genau ausrichten und konventionell an zwei diametralen Pins anlöten. Dann mit der Lötpasten-Spritze ein dünnes Würstchen in die Kante zwischen Pin-Enden und Pads des fixierten Chips ziehen. Die verbleite Paste habe ich übrigens von Segor aus Berlin bezogen, wobei die mitgelieferte Braunüle allerdings deutlich zu lang war; ich kürzte sie mit einer Mini-Trennscheibe auf etwa 1,5 cm Gesamtlänge.

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Handwerkszeug

Platine, Pinzette, Paste, Pauteile. Die hochwertigen Pinzetten aus Chirurgenstahl 316A stammen vom Flohmarkt – regelmäßig trifft man dort Händler, die obsoletes Operationsbesteck verhökern.

Beim anschließendem Reflow in der Pizzapfanne zieht sich die Paste beim Aufschmelzen wegen der Oberflächenspannung des Zinns zusammen, Lötbrücken sollten also selten sein. Treten trotzdem Kurzschlüsse auf (mit einer starken Lupe wie dem abgebildeten 10×-Triplet kontrollieren!), können diese mit dem Lötkolben und gegebenenfalls etwas Lötsauglitze beseitigt werden.

Ich bin kein großer Freund von Lötsauglitze; leicht reißt man damit ein Pin oder ein Pad von der Platine. Lieber trage ich etwas Flussmittel (hier verwendet: FL-22 von Edsyn) auf und lasse das überschüssige Zinn auf die Lötkolbenspitze zurücklaufen. Dafür muss die Platine schräg gehalten und der Kolben von unten angesetzt werden. Mit etwas Übung springt das Zinn auf die Pads zurück, ohne dass sich Brücken bilden.

Nicht vergessen: Nach dem Löten – egal auf welche Weise – sollte die Platine mit einem Leiterplatten-Reiniger (z.B. Kontakt LR) von Flussmittelresten gesäubert werden. Das pastöse FL-22 ist in jedem Fall zu entfernen, da es Schmutz regelrecht magnetisch anzieht.

Meine erste Pizza-Platine kann sich durchaus sehen lassen, wie die Bilder zeigen. Vorteil gegenüber den anderenorts propagierten Mini-Backofen: Durch den Glasdeckel kann man den Schmelzvorgang gut beobachten, und das Abnehmen des Deckels lässt die Temperatur unterhalb des eutektischen Punktes sinken, so dass man die Platine sicher entnehmen kann. Ob sich auf diese Weise auch Bauteile mit Ball-Grid-Array (BGA) bestücken lassen? Versuch macht klug – bleiben Sie dran.

Bitte beachten Sie auch unsere Ergänzungen zu diesem Artikel. (cm)