Google fördert deutsches Forschungsinstitut für Internet und Gesellschaft

Der Internetdienstleister unterstützt mit 4,5 Millionen Euro den Aufbau einer wissenschaftlichen Einrichtung, die an der Humboldt-Universität in Berlin angesiedelt werden soll. Die Gründungspartner legen Wert auf die Unabhängigkeit des Instituts.

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Google unterstützt mit 4,5 Millionen Euro über drei Jahre hinweg den Aufbau einer wissenschaftlichen Einrichtung in Berlin, die von der Humboldt-Universität (HU), der Universität der Künste (UdK) und dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) als Gesellschafter betrieben werden soll. Googles Beitrag werde als "Startup-Finanzierung" betrachtet, erklärte Max Senges, Mitgründer der Denkfabrik "Collaboratory" des Internetkonzerns, am Montag zur Vorstellung des geplanten Forschungsinstituts für Internet und Gesellschaft. Weitere Geldgeber aus Wirtschaft und Staat sollen möglichst hinzukommen.

Die Wahl sei auf Berlin als Standort gefallen, weil die "digitale Hauptstadt" über eine "aktive Gründerszene" und ein exzellentes wissenschaftliches Umfeld verfüge, hieß es. Die Einrichtung werde zunächst über vier Direktoren und vier wissenschaftliche Mitarbeiter verfügen, dazu kämen sechs Promotionsstellen. Auf einem Symposium im Oktober soll das Institut offieziell gegründet und die genaue Vorstellung der Forschungsfragen erfolgen.

Von links nach rechts: Ingolf Pernice (HU), Jeanette Hofmann (WZB), Wolfgang Schulz (Hans-Bredow-Institut) und Thomas Schildhauer (UdK)

(Bild: Stefan Krempl)

Google-Chairman Eric Schmidt führte in einer Videoeinspielung aus, dass die von ihm im Februar angekündigte Einrichtung Veränderungen beschreiben solle, die mit der Entwicklung des Internets verbunden seien. Das Institut sei "völlig unabhängig" von dem Konzern. HU-Präsident Jan-Hendrik Olbertz ergänzte, dass es "keine Geheimverträge" und "keine Nebenabsprachen" geben werde: "Google kriegt kein Forschungsinstitut, aber ohne Google hätten wir diese Zusammenarbeit nicht aufrufen können." Für den Konzern könnten auch "nur unverstellte", nicht-manipulierte Ergebnisse nützlich sein. Google sei aber auch als "empirische Basis" und Forschungsgegenstand interessant. Es werde aber "keinen besonderen Zugang zu Daten des Suchdienstleisters geben", stellte Senges klar. Er hofft trotzdem, "dass die Ergebnisse uns helfen, bessere Produkte zu machen".

Die Präsidentin des WZB, Jutta Allmendinger, betonte, dass das an der Juristischen Fakultät der HU untergebrachte Institut "durch Projekte in die tägliche Arbeit eingebunden" werde. Alle Ergebnisse würden ohne Vorabkontrolle veröffentlicht. Das WZB arbeite seit Langem in dem zu untersuchenden Bereich, nun könne aber die Sicht anderer Disziplinen eingebracht werden. Laut Senges haben sich die Gesellschafter darauf geeinigt, einen "Open-Science"-Ansatz zu verfolgen und "innovativ zu forschen". Interessierte könnten sich so einbringen; über 40 Kooperationsanfragen seien bereits eingegangen. Darüber hinaus würden alle Ergebnisse ins Netz gestellt (Open Access).

Ingolf Pernice, der von der HU berufene künftige Forschungsdirektor, erläuterte, seine Einrichtung wolle mit weiteren Forschungsinstituten und Akteuren aus der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten sowie ein Graduiertenkolleg, einen Beirats sowie eines Kuratoriums als oberstem Entscheidungsgremium einrichten. Pernice selbst wolle die "Wirkung des Internets auf Recht und Verfassung" sowie einen möglichen Wandel des Vorstellungsbilds vom Staat untersuchen.

Die vom WBZ ausgewählte Forschungsleiterin Jeanette Hofmann will das Zusammenspiel verschiedener Ordnungsmechanismen bei der Internetregulierung weiter analysieren. Wie das Beispiel der Verschlüsselung zeige, könne dabei die Technik den Gesetzgeber "entweder unterstützen oder auch konterkarieren oder gar sabotieren". Die Überlagerung des klassischen Internets durch zusätzliche Netze und die Folgen für die Innovationsfreudigkeit nannte sie neben "Datenschutz bei Cloud Computing" als weiteren thematischen Schwerpunkt. In den USA seien etwa an der Universität Berkeley mit privaten Mitteln bereits ähnliche interdisziplinäre Einrichtungen entstanden, sodass Deutschland nun aufschließe.

Forschungsdirektor Thomas Schildhauer von der UdK will nach eigenen Angaben unter anderem "Veränderungen der Musikindustrie", "Open Innovation", praktische Auswirkungen der "Schwarmintelligenz" und die digitale Kluft betrachten. Ihn interessiere auch, wie "das Recht auf geistiges Eigentum erhalten werden kann, wenn viele Menschen gemeinsam auf offenen Plattformen arbeiten". Wolfgang Schulz vom Hans-Bredow-Institut in Hamburg, erster offizieller Kooperationspartner der Berliner, will einen Schwerpunkt auf die "Eigenlogik der Internet-Kommunikation" setzen, um angemessene regulatorische Lösungen finden zu können. (anw)