Korrekturen an der Schweizer Urheberrechtsnovelle gefordert

Zivilgesellschaftliche Organisationen haben das Schweizer Parlament gebeten, dem vorgesehenen rechtlichen DRM-Schutz Pflichten zur Offenlegung von Informationen zur Interoperabilitätssicherung entgegenzusetzen.

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Eine Reihe zivilgesellschaftlicher Organisationen hat das Schweizer Parlament aufgefordert, der im Rahmen der Revision des Urheberrechtsgesetzes vorgesehenen rechtlichen Absicherung von Kopierschutzverfahren Auflagen zur Offenlegung von Informationen zur Interoperabilitätssicherung entgegenzusetzen. Die geplanten Bestimmungen über digitale Kopierbeschränkungen seien mit Pflichten zu ergänzen, die dann bei der Anwendung der so genannten "technischen Schutzmaßnahmen" beachtet werden müssen, schreiben Vereinigungen wie die Swiss Internet User Group (SIUG), Wikimedia CH, Digitale Allmend oder Wilhelm Tux in offenen Briefen an den Ständerat. Dort steht die Novelle am morgigen Dienstag für die weitere Beratung und Verabschiedung auf der Tagesordnung.

Konkret sollen die Anbieter von Systemen zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) nach Ansicht der Organisationen die nötigen Informationen offen legen, "damit Programme von anderen Anbietern auch auf die geschützten Dateiformate zugreifen können". Ganz wichtig sei die Herausgabe der Schlüsseldaten "für Menschen mit Behinderungen, die technische Hilfsmittel wie Screen-Reader, Braille-Displays oder besondere Eingabegeräte verwenden", heißt es in den Schreiben an die Abgeordneten. Es solle aber etwa auch verhindert werden, "dass man Musik zweimal kaufen muss, einmal für die Stereoanlage zu Hause und einmal für den MP3-Player unterwegs". Darüber hinaus seien Textdokumente bedroht: "In den letzten Jahren wurden große Anstrengungen unternommen, Standard-Dateiformate zu definieren, damit Dokumente auf jedem Computer geöffnet werden können", schreiben die besorgten Gruppierungen. Diese Bemühungen drohten nun mit einem zu strengen rechtlichen DRM-Schutz wieder zunichte gemacht zu werden.

Die Open-Source-Vereinigung Wilhelm Tux weist zusätzlich darauf hin, dass Software wie GNU/Linux, der Webserver Apache oder der Webbrowser Firefox nur entstehen konnten, weil es möglich war, "einfach und ohne Hindernisse Ideen zu kopieren, zu verbreiten und weiterzuentwickeln". Der geforderte Pflichtenartikel solle daher verhindern, dass die technischen Einzelheiten der digitalen Kopierbeschränkungen geheim gehalten werden. Es dürften von den Gesetzgebern keine künstlichen Schranken gesetzt werden, durch die Dokumente sowie Audio- und Video-Inhalte mit freier Software nicht mehr geöffnet werden könnten. Ein Großteil der anderen an der Aktion beteiligten Organisationen warnt zudem vor weiteren möglichen Konsequenzen der "technischen Schutzmaßnahmen": Diese könnten auch die Privatsphäre gefährden oder "zu einer Abhängigkeit von einem Software-Anbieter führen". Ein weiterer potenzieller Effekt sei, "dass gekaufte Werke durch den Fortschritt der technischen Entwicklung irgendwann unbrauchbar werden".

Laut dem vom Rechtsausschuss des Ständerates größtenteils befürworteten Revisionsentwurf der Schweizer Bundesregierung soll es zu einer Regelung kommen, wonach einerseits "wirksame technische Maßnahmen zum Schutz von Werken und anderen Schutzobjekten nicht umgangen werden dürfen". Andererseits sieht der von den Rechtspolitikern im Prinzip unterstützte Gesetzesentwurf des Bundesrates im Gegensatz zum geltenden Urheberrechtsgesetz in Deutschland vor, dass Kopierschutzknacken für private Zwecke erlaubt wird.

Ziel der Reform ist es, Möglichkeiten zum Kopieren für den rein privaten Gebrauch sowie für andere "gesetzlich erlaubte Verwendungen" wie etwa "wissenschaftliche Zwecke" nicht durch Systeme zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) einzuschränken. Auch das Herunterladen von Werken aus dem Internet zum persönlichen Gebrauch soll uneingeschränkt zulässig bleiben. Diese Möglichkeiten reichen den Bürgerrechtsvertretern aber nicht aus. Im Vorfeld der parlamentarischen Behandlung des Revisionsvorhabens hatten auch bereits unter anderem Künstler und Forscher im Rahmen der Initiative Kunstfreiheit.ch gegen den geplanten Rechtsschutz für DRM-Systeme Stellung bezogen und eine Unterschriftenaktion gestartet. Sie bemängelten, dass mit dem Entwurf die "Interessen der traditionellen Verwertungsindustrien einseitig bevorzugt werden".

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)