IT-Gipfel: Leuchtturmprojekte, Wachstumsfelder und gute Vorsätze

Politik, Wirtschaft und Wissenschaft waren sich einig, dass weniger bei der Auswahl zu fördernder IT-Vorhaben mehr ist. Trotzdem setzt die verabschiedete "Potsdamer Initiative" breite Schwerpunkte von RFID bis E-Health.

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Mit der Produktion von rund 100 Seiten Ergebnispapieren aus acht Arbeitsgruppen zu Themen wie E-Government, Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) sowie Gesundheit, Sicherheit und Vertrauen, Konvergenz der Netze oder dem Ausbau der Higtech-Strategie der Bundesregierung, viel Schulterklopfen sowie Versicherungen zu gemeinsamen Kraftakten endete am heutigen Montagnachmittag der nationale IT-Gipfel von Bundesregierung, Wirtschaft und Wissenschaft am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam. Einig waren sich die rund 220 Geladenen, dass Deutschland beim weiteren Weg in die Informationsgesellschaft Schwerpunkte setzen müsse. Fördergelder vom Staat dürften jedenfalls "nicht mit der Gießkanne gegeben werden", erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ihr gefiel der gefundene Ansatz, "erst mal das, wo wir bei der klassischen Industrie stark sind, mit der IT zu vernetzen".

Konkret beschlossen die Teilnehmer in der verabschiedeten "Potsdamer Initiative für den IKT-Standort Deutschland", sich schwerpunktmäßig auf "Leuchtturmprojekte" zu konzentrieren. Dazu gehört die Arbeit am "Internet der Dienste" mit dem ehemals als Quaero betitelten Suchtechnologieprojekt Theseus, das Vorantreiben des "Internet der Dinge" mit RFID sowie eine neue Initiative unter dem Aufhänger "E-Energy", mit dem innovative Energiekonzepte mit Hilfe von ITK entwickelt werden sollen. Darüber hinaus will sich Deutschland als "Technologieführer" beim Aufbau des Satellitennavigationssystems Galileo und der Förderung darauf basierender Anwendungen positionieren. Die Bundesregierung will für diese Vorzeigeinitiativen insgesamt rund 280 Millionen Euro zur Verfügung stellen.

Etwas komplizierter wird die Sache jedoch bereits, da die Arbeitsgruppen ferner auch vier Wachstumsfelder in der Informations- und Kommunikationstechnik ausgemacht haben. Zu ihnen zählen eingebettete Software-Systeme (Embedded Software), neue Sicherheitstechnologien, integrierte ITK-Dienste sowie das Feld "Digital Lifestyle", in dem das "Zusammenspiel von hoch entwickelter Technik, Design und Inhalten" perfektioniert werden soll. In diese Bereiche sollen 1,2 Milliarden Euro bis 2009 fließen, um gezielt schlagkräftige "Cluster" im Verbund von Konzernen, innovativen mittelständischen Firmen sowie der Forschung zu entwickeln.

Doch damit nicht genug: Auch das ins Trudeln geratene IT-Großprojekt der elektronischen Gesundheitskarte findet in der Potsdamer Initiative seinen Niederschlag. Es soll die Basis für integrierte Dienste im Gesundheitswesen und den Aufbau einer Telematik-Plattform im Gesundheitswesen bilden. Karsten Ottenberg vom Chipkartenspezialisten Giesecke & Devrient bezeichnete den Gesundheitsmarkt als nächsten großen Wachstumsmotor. Bis zur CeBIT solle ein Masterplan "E-Health für Nutzung und Anwendung von IKT im integrierten Gesundheitsmarkt" verabschiedet und so die elektronische Abwicklung aller Dienstleistungen nachhaltig gefördert werden.

Alle Betroffenen im Gesundheitswesen müssten die Bereitschaft aufbringen, mit IT in Berührung zu kommen, betonte Merkel. Auch wenn dies bedeute, dass es "nicht mehr möglich ist, eine Rechnung zweimal abzurechnen". Generell ist Deutschland laut Merkel in diesem Bereich "dicht daran, in Europa wieder Standards zu setzen." Dies sei wichtig, denn "wer die Schnittstellen definiert, kann über Jahre hinweg Marktanteile sichern."

Beim Thema E-Health war das Thema E-Government nicht mehr weit weg. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble kündigte hier an, dass "bis 2012 nur noch elektronisch zwischen Wirtschaft und Verwaltung verkehrt werden soll". Weitere Streitigkeiten um die Kosten über Jahre hinweg dürften nicht die Hemmschwelle beim technisch vorangetriebenen Bürokratieabbau sein. Am Herzen liegt dem CDU-Politiker vor allem die rasche Einführung des elektronischen Personalausweises mit der vorgesehenen digitalen Signatur, weil damit Verwaltungsgänge erleichtert würden. In diesem Zusammenhang streifte Schäuble auch die geplante neue einheitliche Behördennummer unter der 115: Dahinter werde ein neues System der Datenverknüpfung stehen, führte er aus, das einen "Abruf für alle Daten" über ein einheitliches Intranet aller Behördenzweige ermögliche.

Nicht fehlen bei dem Gipfelgesprächen durfte das Thema Sicherheit und Vertrauen als Grundvoraussetzungen für die Nutzung der Technik und der Einkaufswelten im Netz. Die ursprünglich vor allem von Microsoft ins Leben gerufene Initiative "Deutschland sicher im Netz" wird sich in diesem Sektor in Form eines eingetragenen Vereins neu aufstellen, hieß es auf dem Gipfel. Sie soll eine "übergreifende und auf Dauer angelegte Plattform für alle Fragen der Sensibilisierung und Aufklärung rund um IT- und Internetsicherheit" bilden. Schäuble zeigte sich als "Ausdruck der dauerhaften Unterstützung" des Vereins zugleich bereit, nun die Schirmherrschaft zu übernehmen. Im Frühjahr hatte der Minister dies noch mit der Begründung abgelehnt, dass er Zweifel an der herstellerübergreifenden und produktneutralen Ausrichtung der Initiative hatte.

Der neue Chef der Deutschen Telekom, René Obermann, schwärmte derweil von der revolutionären Kraft des Web 2.0, das nach Ansicht der Arbeitsgruppe zur Zukunft der Netze "unsere Industrie auf den Kopf stellen wird mit nutzergenerierten Inhalten wie Podcasts oder Blogs". Gleichzeitig mahnte er angesichts der Konvergenz der Medien auch eine stärkere Konvergenz der Regulierung an. Es müsse möglich sein, "hochleistungsfähige interaktive Breitbandnetze aufzubauen". Dabei sei "nicht nur eine, sondern auch alternative erforderlich." Gleichzeitig warb er für "verstärkte Anstrengungen für Interoperabilität" bei den Netzen und Diensten der nächsten Generation. Auch ein "geeigneter Umgang mit Patenten und Verwertungsrechten" sei nötig.

Als oberste Priorität gab SAP-Chef Henning Kagermann als einer der geistigen Wegbereiter des Gipfels die Devise aus, dass "wir zuallererst Top-Talente für Deutschland gewinnen müssen". Gefragt seien etwa einfachere Einreisebedingungen für Fachkräfte sowie eine "neue Begeisterung für Technik". Merkel versicherte: "Dieser Gipfel ist nicht folgenlos." Alle Seiten hätten eine "Vielzahl von Arbeitsaufträgen" mitbekommen. Wichtig sei zudem, die Gespräche auf der CeBIT im März 2007 sowie möglicherweise auch nach einem Jahr in einer ähnlichen Gipfelrunde fortzusetzen.

Siehe zum IT-Gipfel der Bundesregierung auch:

(Stefan Krempl) / (anw)