Deutsche schlagen gerne online nach, wo sie nachschlagen können

"Wikipedia" gehört zu den zehn von deutschen Google-Nutzern meistgesuchten Begriffen des Jahres.

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Deutsche Suchmaschinenbenutzer suchen Orientierung – das wurde bereits durch die kürzlich vorgelegte Yahoo-Jahresendstatistik deutlich, in der der Begriff "Routenplaner" auf Platz 2 rangiert. Beim nun ausgewerteten deutschen "Google Zeitgeist" holte er sich die Jahreskrone 2006. Yahoo-Sieger "Wetter" bekam hingegen beim größeren Konkurrenten lediglich die Bronze-Medaille. Der vierte Google-Platz für "Wikipedia" mag darauf hinweisen, dass die Orientierungslosigkeit vieler deutscher Websurfer auch abseits des Straßenverkehrs grassiert. Anscheinend benötigen sie eine Suchmaschine, die dabei hilft, dorthin zu gelangen, wo sie nachschlagen wollen, obwohl sie eigentlich wissen müssten, wie sie dort hinkommen können. Wer in der Lage ist, "google.de" in die Browser-Adressleiste einzugeben, der dürfte bei "wikipedia.de" nicht scheitern.

Das durch die Weltmeisterschaft bedingte Medien-Fußballbombardement hat die Google-Nutzer nicht übersättigt, anscheinend konnten sie im Gegenteil nicht genug Informationen über den globalen Kugeltrittwettbewerb sammeln. Jedenfalls haben sie freiwillig ausreichend oft nach "WM 2006" recherchiert, sodass dieses Begriffspaar auf Platz 2 landete. Vorausgesetzt natürlich, man unterstellt den Google-Nutzern, nicht nach anderen Sportarten gesucht zu haben, in denen dieses Jahr ein weltweites Kräftemessen veranstaltet wurde. Nicht auf den Sportseiten der Tageszeitungen, dafür in der Yellow Press allgegenwärtig war in diesem Jahr hierzulande die in Sachen Selbstrepräsentanz viel beschäftigte Hotelerbin Paris Hilton, die als vorderste Person in der Zeitgeiststatistik Platz fünf eroberte. Auf dem sechsten Platz landete "Bild", wobei mangels tiefer gehender Erläuterung durch Google unklar ist, ob die Suchenden zum gleichnamigen Blatt mit den großen Buchstaben strebten oder einfach nur irgendeine Darstellung aus dem Internet fischen wollten.

Die verbliebenen vier Plätze entfallen in dieser Reihe auf die Flirt- und Chatsite "Knuddels", den Instant-Messaging-Dienst ICQ, das Videoportal YouTube und zehntens auf die sachsen-anhaltische Boyband Tokio Hotel. Angesichts dieser Top Ten lassen sich drei Zeitgeist-Trends mutmaßen: Deutsche Internetnutzer verlangen nach Orientierung, um – bei möglichst schönem Wetter – zu Orientierungshilfen zu kommen. Sie suchen Informationen über Personen und Themen, die ohnehin allseits in aller Munde sind. Und angesichts der vielen Begriffe, die bei Google gesucht werden, obwohl es bei ihnen lediglich ausreicht, in das Adressfenster des Web-Browsers einfach einen Punkt und das Kürzel "de" anzuhängen, um zum Ziel zu kommen, könnte man drittens meinen, dass sich viele Internetnutzer Links lieber auf dem Google-Tablett servieren lassen. Vielleicht ist aber einfach nur die Adressleiste außer Mode gekommen, und die Surfer bedienen lieber das Suchfenster in ihrer Browser-Toolbar. (anw)